Horizonte Q1│2023 - Anleihen

Der Zins ist zurück

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das erste Quartal 2023.

Auf den Punkt

  • Bei sicheren Staatsanleihen rechnen wir mit einer deutlichen regionalen Differenzierung – klare Vorteile für die USA.

  • Europäische Unternehmensanleihen: Wir erhöhen unsere Übergewichtung und bauen das Nachrangsegment auf.

  • Schwellenländeranleihen: Lokalwährungspapiere und ausgewählte Staaten im Hochzinssegment sind unsere Favoriten.

Auf Schatten folgt Licht

Für alle Segmente des Anleihemarktes erwies sich 2022 als Annus horribilis – hartnäckige Inflation, Renditeanstiege, erhöhte Volatilität und vor dem Hintergrund der nahenden Rezession anziehende Risikoprämien bescherten den Anlegern spürbare Verluste. Diese Entwicklung mündet mit Blick nach vorn allerdings in eine eindeutig positive Botschaft: Der Zins ist zurück, und mit Anleihen kann wieder Geld verdient werden. Wo genau wir die attraktivsten Opportunitäten sehen, zeigen wir im Folgenden.

Staatsanleihen: Differenzierung kann sich lohnen

Nachdem 2022 sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks zweistellige Verluste in sicheren Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zu verzeichnen waren, rechnen wir für die kommenden Monate mit einem regional heterogenen Verlauf. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Inflation ihren Höhepunkt in den USA bereits überschritten haben dürfte, während in Europa der Gipfel noch bevorsteht. Infolgedessen wird sich die geldpolitische Dynamik zwischen den Währungsräumen unterscheiden. Während die Fed ihren Leitzins bereits in der ersten Jahreshälfte auf 5,25% anheben, dann aber im zweiten Halbjahr wieder senken dürfte, erwarten wir von der EZB bis Jahresmitte zwei Schritte à 50 Basispunkte, ohne dass sie ihren Hauptrefinanzierungssatz in der Folge wieder herabsetzt. Für das Segment der zehnjährigen Staatsanleihen bedeutet dies bis Ende 2023 wieder sinkende Renditen in den USA, bei deutschen Bundesanleihen jedoch das Gegenteil. Zusammen mit der höheren laufenden Verzinsung ergibt sich somit ein klarer Attraktivitätsvorteil für US-Staatspapiere. Euro-Anleger sollten in ihrem diesbezüglichen Vergleichskalkül allerdings die mögliche Wechselkursänderung oder Absicherungskosten berücksichtigen – wir erwarten, dass der US-Dollar 2023 etwas an Wert verliert.

Sichere Staatsanleihen: USA haben die Nase deutlich vorn

Vergangene und erwartete Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Gesamteffekt aus Rendite-/Kursveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt

Zeitraum: 15.12.2017–15.12.2022
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen, iBoxx-Staatsanleihe-Indizes (7–10 Jahre, TR)

Europäische Unternehmensanleihen mit Aussicht auf positives Jahr

Europäische Unternehmensanleihen des Investmentgrade-Segments bieten mit aktuell 3,6% endlich wieder eine auskömmliche Verzinsung, wie wir sie in dieser Höhe zuletzt 2012 gesehen haben. Selbst im Falle kurzfristig moderater Renditeanstiege sollte auf Jahressicht eine absolut positive Entwicklung erzielt werden können. Trotz zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie, hoher Energiepreise und inflationsbedingten Kostendrucks präsentieren sich die Unternehmensbilanzen aufgeräumt und robust. Dementsprechend sind aktuell nur wenige Ausfälle und Rating-Herabstufungen zu beobachten. Bis vor einigen Wochen hatten wir uns dennoch gegen ein ausgeprägtes Übergewicht entschieden. Sowohl ein ruckeliger Neustart an den Neuemissionsmärkten als auch ein anhaltend negativer Trend bei den Kapitalflüssen bargen Rückschlagpotenzial. Beide Faktoren hellen sich über die letzten Wochen spürbar auf: Neue Transaktionen wecken größeres Anlegerinteresse, und selbst vermeintlich riskantere Unternehmen finden wieder den Weg an die Märkte. Bei den Fondsflüssen (siehe Grafik unten links) lässt sich sowohl für den Investmentgrade- als auch den Hochzinsbereich eine nachhaltige Stabilisierung erkennen. Dementsprechend sind wir für Unternehmensanleihen konstruktiver gestimmt und haben jüngst unser Übergewicht erhöht. Unverändert bevorzugen wir Finanzanleihen und trauen uns bei Banken und Versicherungen guter Qualität Nachrangpositionen zu.

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2022 und zur Jahresmitte 2023

* Durchschnitt, Konsens per 15.12.2022
Quelle: Bloomberg

Schwellenländeranleihen: Lokalwährungen unverändert präferiert

Die Erholung von Schwellenländeranleihen im vierten Quartal war durch das Hartwährungssegment bei Staatspapieren getrieben, das zuvor allerdings auch die stärksten Kursabschläge zu verzeichnen hatte. Ungeachtet dieser Bewegung sowie wieder gesunkener US-Renditen und Risikoaufschläge hat es für eine absolut positive Wertentwicklung im Jahr 2022 jedoch nicht gereicht. Der Grad der Risikoaversion ist noch immer erhöht und ungleichmäßig verteilt – sowohl auf Länderebene als auch zwischen Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung bzw. Staatspapieren in Lokalwährung. Der letztgenannte und von uns bereits in der Vergangenheit favorisierte Bereich konnte sich auf Jahressicht positiv von seinem Pendant in Hartwährung abheben. Für den Beginn des neuen Jahres erwarten wir, dass die aktive Positionierung in der Währungskomponente aufgrund bereits stark gestiegener lokaler Renditen etwas an Bedeutung abnimmt. Wenn in vielen Schwellenländern die Leitzinserhöhungszyklen auslaufen und die Inflationserwartungen ihren Höhepunkt erreicht haben werden, wird die laufende Rendite mittelfristig noch stärker an Bedeutung gewinnen – insofern halten wir an einer sukzessiven Erhöhung der Duration bei Lokalwährungsanleihen fest. Aus markttechnischer Sicht stimmt uns die mittlerweile niedrige Investorenpositionierung positiv. Wir sehen den größten Teil der durch die Marktverwerfungen in 2022 verursachten Kapitalabflüsse als hinter uns liegend. Auch die Risikoaufschläge sind trotz der jüngsten Erholungsbewegung noch auf attraktiven Niveaus. Ein Einstieg insbesondere in Länder im Hochzinsbereich mit wenig Sensitivität gegenüber US-Renditen und nur geringen über die kommenden ein bis zwei Jahre ausstehenden Verbindlichkeiten erscheint lohnenswert. Zu guter Letzt sollte die allgemeine Emissionstätigkeit trotz saisonal bedingt höherer Aktivität im ersten Quartal überschaubar bleiben, was die Anlageklasse zusätzlich unterstützt.

Euro-Unternehmensanleihen: Kapitalabflüsse aus Fonds gestoppt

Die „Flows“ im Investmentgrade(IG)- und im Hochzins(HY)-Segment haben sich seit dem Sommer bzw. seit Beginn des vierten Quartals stabilisiert

Zeitraum: 31.12.2021–07.12.2022
Quelle: Bloomberg, AuM = Assets under Management, HY = High Yield

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2022 und zur Jahresmitte 2023

* Durchschnitt, Konsens per 15.12.2022
Quelle: Bloomberg

Fazit: Die Rückkehr des Zinses schafft Opportunitäten

Staatsanleihen hoher Bonität betrachten wir regional differenziert und sehen in jeweils lokaler Währung klare Vorteile für US- gegenüber deutschen Bundespapieren. Unternehmensanleihen sind auf inzwischen erhöhten Renditeniveaus sowohl im Investmentgrade- als auch im Hochzinssegment wieder attraktiv geworden, insbesondere mögen wir den Finanzsektor und nachrangige Emissionen erstklassiger Schuldner. In Schwellenländern schließlich bevorzugen wir erneut das Lokalwährungssegment und finden den Einstieg in ausgewählte Hochzinsländer interessant.

Autoren

Martin Mayer
Senior Portfoliomanager Multi Asset
Bettinger Christian
Christian Bettinger
Leiter Fixed Income Euro Flexibel
Reichle Robert
Robert Reichle
Leiter Fixed Income Global & Emerging Markets