Auf den Punkt
US-Aktien stagnieren in Euro, DAX profitiert vom Politikwechsel der neuen Regierung.
Gewinnerwartungen für US-Unternehmen sind gesunken, Unsicherheiten durch Politik und Handelsstreit belasten. Allerdings erwarten wir nun keine großen negativen Gewinnrevisionen mehr.
Mittelfristig neue Höchststände auch in den USA möglich, vor allem dank Tech-Sektor und durch Nachfrage unterinvestierter Anleger.
Zykliker im zweiten Quartal vorne
Im zweiten Quartal konnten die meisten Aktienmärkte zulegen, während US-Aktien in Euro gerechnet stagnierten. Hauptgrund war die Abwertung des US-Dollars um 6 % gegenüber dem Euro. Zyklische Sektoren entwickelten sich besser als defensive. Seit Jahresbeginn liegt der DAX, auch dank deutscher Infrastruktur- und Verteidigungsprogramme, rund 27 % vor dem S&P 500 (in gleicher Währung).
Europa mit weiterer Outperformance im zweiten Quartal gegenüber den USA in einheitlicher Währung
Negative Gewinnrevisionen dürften abebben
Die Gewinnerwartungen für den S&P 500 wurden von 14 % auf 8 % für 2025 nach unten korrigiert – das ist eine realistischere Einschätzung angesichts einer sich abkühlenden US-Konjunktur. Trumps unberechenbares Verhalten, geringere Immigration und höhere Zölle könnten die Unternehmensgewinne jedoch zusätzlich belasten. Positiv wirken dagegen fiskalische Impulse und der schwächere US-Dollar, was vor allem exportorientierten US-Tech-Firmen zugutekommt. Zudem düften Deregulierungsbemühungen im weiteren Jahresverlauf unterstützend wirken. Europäische Exporteure leiden hingegen unter dem starken Euro, profitieren aber von niedrigeren Energiepreisen und staatlichen Programmen. Zudem dürfte die hiesige Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte an Fahrt gewinnen. Europäische Banken bleiben attraktiv: Sie sind weniger anfällig für Währungsschwankungen und Zölle und profitieren von steileren Zinskurven.
Rezession nun wieder ausgepreist
Nachdem der Konsens im April noch eine Rezessionswahrscheinlichkeit von rund 50 % für die USA gesehen hat, ist diese Zahl zuletzt deutlich gesunken, im Einklang mit Trumps Zurückrudern im Zollstreit. Obwohl die US-Gewinnschätzungen in den letzten Monaten reduziert worden sind, hat sich der S&P 500 mehr als 20 % von seinen Tiefständen erholt. Mit dem Preis sind auch die Bewertungen gestiegen. Während europäische Aktien nahe ihren historischen Durchschnitten handeln, steht das KGV für den S&P 500 bei beinahe 22 – und damit 25 % höher als der historische Durchschnitt seit 1987.
Neue Allzeithochs auch in den USA wahrscheinlich
In Q3 dürfte es wieder die eine oder andere Volatilitätsspitze geben. Dafür sprechen sich wahrscheinlich abkühlende US-Konjunkturdaten, eine niedrigere Liquidität über die Sommermonate sowie Trumps erratisches Verhalten. In der Vergangenheit hat er oft kurz vor bevorstehenden „Deals“ diese noch mal infrage gestellt, um nachzuverhandlen. Sollte es dieses Mal auch so kommen, dürfte dies wieder für eine (kurzfristige) Unsicherheit im Juli/August sprechen. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Rücksetzer letztendlich als Kaufgelegenheit gesehen werden. Wir rechnen auch nicht damit, dass die Tiefstände von April getestet werden, da mit der weniger optimistischen Anlegerstimmung und -positionierung auch die Fallhöhe niedriger ausfallen dürfte.
Die Q2-Berichtssaison wird bei Anlegern im Fokus stehen, vor allem die Gewinnmargen und der Ausblick der Unternehmen. Der schwache US-Dollar dürfte zu positiven Überraschungen bei US-Unternehmen mit einem hohen internationalen Umsatzanteil führen. Die „höher für länger“-US-Zinsen dürften hingegen US-Unternehmen mit hohen Verschuldungen und hohen Refinanzierungskosten belasten. Dazu dürften einige US-Nebenwerte gehören. Europäische Small Caps profitieren hingegen neben der günstigeren Bewertung von niedrigeren Zinsen und einem besseren Wachstumsmomentum in Europa als in den USA. Schwellenländeraktien erhalten vom schwachen US-Dollar und der relativ attraktiven Bewertung Rückenwind. Sie bleiben eine lohnende Beimischung. Angesichts der erhöhten Unsicherheit unter Donald Trump haben wir für die kommenden Monate keine große regionale Präferenz.
US-Unternehmen dürften von schwachem US-Dollar profitieren
Relative Gewinnrevisionen für US- und europäische Aktien sowie Veränderung des EUR/USD gegenüber dem Vorjahr
Sofern es keine größeren politischen Überraschungen gibt, dürfte der Weg des geringsten Widerstands mittelfristig von neuen Höchstständen geprägt sein – getragen von starken Fundamentaldaten im Technologie-/KI-Sektor, einer stabilen Nachfrage durch systematische Strategien infolge verbesserter Volatilitäts- und Momentum-Signale sowie Käufen aktiver Investoren bei Rücksetzern.
Prognoseübersicht: Aktien dürften in H2 weiter zulegen
Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2025 und zur Jahresmitte 2026
Was die Unternehmen bewegt
Die Wirtschaft hält sich wacker
In unseren Gesprächen mit Unternehmen sind weiterhin Handelszölle und die dadurch möglichen Auswirkungen auf die Realwirtschaft ein großes Thema. Die amerikanischen Wirtschaftsdaten hatten sich zwar abgeschwächt, aber stabiler gehalten als erwartet. Dazu passend sehen amerikanische Industrieunternehmen in der Breite keine Abschwächung, konnten die Zölle durch Preiserhöhungen größtenteils abfedern und sollten von den unerwartet steigenden Staatsausgaben und Investitionsprämien besonders profitieren können („Big Beautiful Bill“). Im Gesundheitssektor werden die Kurse weiterhin durch die regulatorische Unsicherheit in den USA beeinflusst, wodurch die Kurserholungen im Sektor seit dem Liberation Day unterdurchschnittlich ausgefallen sind. Auch der Technologiesektor wurde im Zuge der Wachstumsängste aufgrund der Handelszölle deutlich abverkauft, obwohl sich das Wachstum bei KI-Anwendungen und KI-Chatbots im letzten Quartal nochmal beschleunigt hat. In Europa erlebt derweil die Baubranche rund um das geplante Infrastrukturpaket einen neuen Aufschwung und äußert sich zunehmend positiv und auch die Rüstungsindustrie profitiert von den stetig steigenden Investitionspaketen. Gleichzeitig erwarten die hiesigen Industrieunternehmen einen anhaltenden Aufschwung in der Automatisierung, welcher vor allem aus China getrieben wird, während andere zyklische Endmärkte noch von Schwäche geprägt sind.
Matthias Born, CIO Aktien
Autor

Ulrich Urbahn
Ulrich Urbahn arbeitet seit Oktober 2017 für Berenberg und ist zuständig für quantitative Analysen sowie die Entwicklung strategischer und taktischer Allokationsideen und ist in die Kapitalmarktkommunikation eingebunden. Er ist Mitglied des Asset Allocation Committee und Portfoliomanager von flexiblen Multi Asset Strategien. Nach seinen Diplomen in VWL und Mathematik an der Universität Heidelberg war er mehr als zehn Jahre bei der Commerzbank unter anderem als Senior-Cross-Asset-Stratege tätig. Ulrich Urbahn ist CFA-Charterholder und gehörte bei der renommierten Extel-Umfrage jahrelang den drei weltweit besten Multi-Asset-Research-Teams an.