Auf den Punkt
Sichere Staatsanleihen bleiben angesichts der öffentlichen Verschuldung und der Konjunkturerholung uninteressant.
Bewertungen bei europäischen Unternehmensanleihen mahnen zur Vorsicht. Der Finanzsektor bleibt Favorit.
Schwellenländeranleihen präsentieren sich vielversprechend, wir favorisieren Anleihen aus den Frontier-Märkten.
Die Politik spielt weiter mit
Während die Verunsicherung im dritten Quartal gegenüber der erratischen Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump abnahm, weckten seine Angriffe auf die US-Notenbank Sorgen um deren Unabhängigkeit. Diesseits des Atlantiks bewegte die Vertrauensfrage des französischen Premierministers Bayrou die Gemüter – und die Renditen. Die Anleihemärkte bleiben in Teilen politisch. Welche weiteren Faktoren sehen wir als wichtig an?
Sichere Staatsanleihen unverändert keine attraktive Anlageklasse
Im August signalisierte Fed-Präsident Powell auf der Konferenz von Jackson Hole, dass mögliche Schwächen am US-Arbeitsmarkt zumindest kurzfristig höher gewichtet werden könnten als die Sorgen um zollbedingte Inflationseffekte. Vor diesem Hintergrund erwarten wir bis Ende des Jahres einen um weitere 25 Basispunkte niedrigeren US-Leitzins. In der Eurozone und im Vereinigten Königreich sind im Schlussquartal keine Impulse vonseiten der Zentralbanken zu erwarten; auch die Bank of England dürfte erst 2026 wieder aktiv werden. Am längeren Ende der Zinsstrukturkurve sehen wir mittelfristig kaum Potential für fallende Renditen. Dem stehen die Zunahme öffentlicher Verschuldung, die stabile Konjunktur in der Eurozone und die strukturell höhere Inflation in den USA entgegen. Entsprechend begrenzt bzw. sogar negativ sind die Perspektiven für Bundesanleihen und US-Treasuries. In lokaler Währung profitieren gemäß unserer Erwartung lediglich britische Staatspapiere von hoher Carry bei in etwa gleichbleibender Rendite, wobei für eine reale Betrachtung noch die Inflationsrate abzuziehen ist. Gegenüber Frankreich, dessen Rendite im Zuge der Unsicherheiten über Bestand und Zukunft fiskalischer Reformen auf das Niveau Italiens und Griechenlands gestiegen ist, bleiben wir vorsichtig.
Sichere Staatsanleihen: UK mit den besten Aussichten
Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Gesamteffekt aus Kurs- / Renditeveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt
Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)
Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zur Jahresmitte und zum Jahresende 2026
Unternehmensanleihen: Das Spreadniveau mahnt zur Vorsicht
Europäische Unternehmensanleihen entwickelten sich über den Sommer hindurch weiter positiv. So werden die Risikoprämien von Euro-denominierten Investment-Grade-Papieren auf einem Niveau gehandelt, wie es zuletzt während der umfangreichen EZB-Käufe in der Corona-Krise der Fall war. Diese Entwicklung mahnt uns, in den kommenden Monaten vorsichtiger zu agieren. Einerseits könnten technische Faktoren wie eine saisonal bedingt hohe Anzahl an Neuemissionen das Marktsegment belasten. Andererseits droht eine perspektivische Eintrübung der Unternehmensgewinne durch die Effekte der US-Zollpolitik auf die Konjunkturdaten. Zudem scheint in Japan der Weg aus der Niedrigzinsphase noch nicht abgeschlossen zu sein, was zu weiteren Belastungen führen dürfte. Aufgrund des niedrigen heimischen Zinsniveaus haben japanische Investoren oftmals an den internationalen Rentenmärkten investiert. Mit steigenden lokalen Zinsen könnte sich dieser Trend umkehren. Fiskalpolitische Unsicherheiten in Frankreich könnten zudem das Marktsentiment eintrüben. Wenngleich Unternehmensanleihen nicht an vorderster Front stehen, dürften sie von den Entwicklungen nicht gänzlich unbeeindruckt bleiben. Die Entwicklung von Finanzanleihen sollte sich hingegen weiterhin erfreulich gestalten. Das positive Gewinnmomentum hat sich auch in der jüngsten Berichtsperiode fortgesetzt und rechtfertigt die aktuellen Bewertungsniveaus. Angesichts der Risiken bevorzugen wir jedoch auch hier eine defensivere Ausrichtung und konzentrieren uns auf Tier-2-Anleihen und das Senior-Segment.
Unternehmensanleihen: Bewertungen mahnen zur Vorsicht
Risikoprämien von Euro-IG-Unternehmensanleihen auf Niveaus wie zuletzt während der massiven EZB-Ankäufe in der Corona-Krise
Schwellenländeranleihen: Frontier-Märkte bevorzugt
Die zumindest teilweise Entspannung bei Handelsstreitigkeiten sowie die Aussicht auf Zinssenkungen durch die US-Notenbank bei weiterhin robuster US-Wirtschaft wirkten sich zuletzt positiv auf Schwellenländeranleihen aus. Im Hartwährungssegment konnten sie von der konstruktiven Stimmung profitieren, sodass die Risikoprämien auf Mehrjahrestiefs zurückgingen. Die zunehmende Unsicherheit über die politische Einflussnahme auf die US-Notenbank, die wachsende Staatsverschuldung und erste Anzeichen eines sich abschwächenden Arbeitsmarktes führten zu einer Versteilerung der US-Renditekurve: Zinsen kurzer und mittlerer Laufzeiten gingen zurück, während Zinsen längerer Laufzeiten stiegen. In den Schwellenländern selbst führten die Aussicht auf weitere Zinssenkungen sowie die Suche nach Alternativen zu USD-denominierten Anlagen zu Mittelzuflüssen in Lokalwährungsanleihen und entsprechenden Renditerückgängen. Darüber hinaus führte die beunruhigende Zunahme der Staatsverschuldung in den entwickelten Ländern in Kombination mit den politischen Angriffen der US-Regierung auf Universitäten, Gerichte und die Notenbank zu einem Vertrauensverlust in vermeintlich sichere Staatsanleihen. Schwellenländer werden dagegen aufgrund ihrer orthodoxere Geld- und Fiskalpolitik insgesamt als interessanter wahrgenommen. Entsprechend lässt sich eine deutliche Divergenz zwischen den Renditen von Industrie- und Schwellenländern beobachten. Während Industriestaaten höhere Risikoprämien zahlen müssen, profitieren lokale Schwellenländeranleihen von sinkenden Renditen (Abb. unten rechts). Vor diesem Hintergrund setzen wir insbesondere auf lokale Schwellenländeranleihen aus den Frontier-Märkten. Diese überzeugen nicht nur durch ihre soliden Fundamentaldaten und attraktive Verzinsung, sondern dürften auch vom erwarteten weiteren Renditerückgang profitieren – da die Inflation weitgehend überwunden ist und sich deren Wirtschaft infolge der Zölle bereits abkühlt.
Schwellenländeranleihen: Lokalwährungen bevorzugt
Nach den Marktturbulenzen infolge der Zollankündigungen am „Liberation Day“ Anfang April sah sich US-Präsident Trump gezwungen, zurückzurudern und eine 90-tägige Zollpause für Verhandlungen einzuräumen. Dies führte seither zu einer Erholung in Risikoanlagen, wovon auch Schwellenländeranleihen profitierten. Ihre Risikoprämien haben sich inzwischen auf das zuvor niedrige Niveau zurückgebildet. In der vorangegangenen Unsicherheitsphase war es zu einem deutlichen Rückgang sowohl im Kurs von US-Staatsanleihen als auch beim US-Dollar gekommen – entgegen der typischen Fluchtbewegung in vermeintlich „sichere Häfen“. Diese synchrone Schwäche wurde durch Positionsanpassungen, wachsende Unsicherheit über die politische Einflussnahme auf die US-Notenbank und Gerüchten über Bestandsverkäufe ausländischer Zentralbanken ausgelöst. Unter den Schwellenländeranleihen profitierte davon besonders das Lokalwährungssegment. Hier sind die Renditen im April weiter gesunken, während die US-Renditen kräftig stiegen. Historisch warteten Notenbanken der Schwellenländer vor ihren Zinsentscheidungen häufig auf ein Signal der US Fed, was im Fall von Zinssenkungen besonders kritisch sein kann: Hätten die Zentralbanken ihren Leitzins bereits gesenkt, hätte dies zu Kapitalabflüssen und Abwertungsdruck auf die jeweilige Währung geführt. Die jüngste Kombination aus Währungsaufwertungen und Renditerückgängen dagegen zeigt nicht nur ein gestärktes Investorenvertrauen in Schwellenländermärkte, sondern verschafft den lokalen Notenbanken auch die notwendige Flexibilität, ihre Leitzinsen nunmehr eigenständig und in Einklang mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu senken. Vor diesem Hintergrund präferieren wir das Lokalwährungssegment nicht nur wegen seiner attraktiven Verzinsung, sondern erwarten weitere Renditerückgänge, da die Inflation bereits überwunden ist und sich die Wirtschaft infolge der Zölle abzukühlen beginnt.
Schwellenländeranleihen gegenüber Industriestaaten gesucht
Während die Renditen von Staatsanleihen aus entwickelten Ländern steigen, sind die von Schwellenländerpapieren auf dem Rückmarsch
Fazit: Chancen in Finanzen und Frontier Märkten
Staatsanleihen bleiben für uns das am wenigsten attraktive Segment unter den betrachteten Anleihesektoren. Interessanter sind europäische Unternehmenspapiere, wobei wir angesichts der niedrigen Risikoprämien zunehmend vorsichtiger agieren. Deutlich positiver sehen wir hingegen das Teilsegment der Finanzanleihen, insbesondere Senior- und Tier-2-Bonds. In den Schwellen- und Frontierländern präferieren wir unverändert Anleihen in Lokalwährungen, die u.a. angesichts niedriger Inflation weiteres Potential aufweisen.
Autoren

Martin Mayer
Bei Berenberg ist er seit November 2009 als Senior Portfoliomanager mitverantwortlich für die Renten- und Stiftungsstrategie der privaten Vermögensverwaltung sowie für individuelle Multi Asset-Spezialmandate mit defensivem Schwerpunkt. Nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt (Wirtschaftsakademie) und seinem Studium zum Dipl.-Volkswirt (Universität Hamburg) trat er 1998 in die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank ein. Dort betreute er bis 2008 individuelle Kundenportfolios für das Private Wealth Management und absolvierte 2001/2002 eine Weiterbildung zum CEFA-Investmentanalysten/DVFA. Im Sommer 2008 wechselte Mayer zur HSH Nordbank und fungierte dort als stellvertretender Leiter des Portfoliomanagements.

Felix Stern
Felix Stern begann vor mehr als 25 Jahren bei Berenberg im Asset Management als Portfoliomanager Renten. Heute leitet der Senior Portfoliomanager das Team Fixed Income Euro Ausgewogen und ist verantwortlich für die Auswahl defensiver Anleihen aus dem Investment Grade Segment sowie Spezialist für kurzlaufende Anleihekonzepte. Darüber hinaus ist er hauptverantwortlicher Portfoliomanager für mehrere Publikumsfondsfonds aus dem Hause Berenberg.
Der gelernte Industriekaufmann wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit im Bereich Market Research der British American Tobacco (Germany) GmbH Anfang 2000 in den Bereich des Fixed Income-Portfoliomanagements. Der Diplom-Kaufmann in Wirtschaftswissenschaften absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fernuniversität in Hagen und erwarb zudem einen Abschluss als CCrA - Certified Credit Analyst (DFVA) sowie CESGA – Certified ESG Analyst (DVFA).

Sebastian Burbank
Sebastian Burbank ist seit Oktober 2024 im Unternehmen. Bevor er zu Berenberg kam, war er 3 Jahre bei Deka Investment als Portfoliomanager für Globale Anleihen und Währungen tätig. Dabei fokussierte er sich insbesondere auf Lokal- und Hartwährungsanleihen im Bereich der Emerging Markets. Er schloss einen Master in Finance an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ab und einen Bachelor in Volkswirtschaftslehre an der Universität Essen.