Anleihen: Carry bleibt King

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das dritte Quartal 2025.

Horizonte | Kapitalmarktausblick

Anleihen

Auf den Punkt

  • Sichere Staatsanleihen durch Zinsvolatilität belastet, Aufwärtspotenzial nur bei Konjunkturschwäche zu erwarten.

  • Bei europäischen Unternehmensanleihen bleibt der Finanzsektor Favorit, Immobilienbereich rückt in den Blick.

  • In Schwellenländern erachten wir insbesondere Lokalwährungsanleihen als aussichtsreich.

Chancen und Risiken in unsicheren Zeiten

Die Trumpsche Zoll- und Steuerpolitik hat im zweiten Quartal phasenweise für kräftige Schwankungen auf den Anleihemärkten gesorgt. Die globalen Auswirkungen auf Konjunktur, Inflation, Wechselkurse und Staatsfinanzen werden anhalten – das eröffnet Risiken, aber bietet auch Chancen. Worin sehen wir diese und was ist darüber hinaus zu beachten?

Trübe Aussichten für sichere Staatsanleihen

Wie von uns erwartet, hat sich der Aufschwung der US-Treasuries der ersten drei Monate des Jahres nicht fortgesetzt. Stattdessen hatten im zweiten Quartal sichere Staatsanleihen aus Europa die Nase vorn – Bundesanleihen und britische Gilts legten zu. Im Umfeld zunehmender Befürchtungen über eine steigende Staatsverschuldung stufte mit Moody’s auch die letzte der drei großen Ratingagenturen die Bonität der USA auf die nur noch zweithöchste Stufe herab. Deutsche Bundesanleihen dagegen waren im Zuge der zollpolitisch bedingten Marktturbulenzen als Sicherheitsanker gesucht. Zusätzlich erfuhren sie durch eine fallende Inflationsrate auf im Vorjahresvergleich nur noch 2,1 % im Mai sowie durch zwei Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) von jeweils 25 Basispunkten im April und Juni Rückenwind. Damit dürfte das Potenzial allerdings ausgereizt sein – wie für die US Fed rechnen wir auch für die EZB bis ins kommende Jahr hinein mit keinerlei (weiteren) Zinssenkungen (Abb. unten rechts). Auch sollte angesichts der konjunkturell und handelspolitisch bedingt höheren Schwankungsbreite der Makrodaten die Volatilität sicherer Staatsanleihen erhöht bleiben, ohne dass die Renditen längerer Laufzeiten dauerhaft sinken. Vor diesem Hintergrund lassen Staatspapiere hoher und höchster Bonität auf absehbare Zeit sowohl nominal als auch real nachhaltig attraktive Ertragsaussichten vermissen.

Sichere Staatsanleihen: Potenziale niedrig bis ausgereizt

Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Gesamteffekt aus Kurs- / Renditeveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt

* Durchschnitt, Konsens per 19.03.2025, ** Einlagesatz.
Quelle: Bloomberg

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahres-ende 2025 und zur Jahresmitte 2026

* Durchschnitt, Konsens per 16.06.2025, ** Einlagesatz.
Quelle: Bloomberg

Europäische Unternehmensanleihen: Carry im Fokus

Die weitere Entwicklung europäischer Unternehmensanleihen wird maßgeblich davon abhängen, ob die USA und Europa in konjunkturelle Schwierigkeiten geraten und dies zu einer Neubewertung von Kreditrisiken führt. Derzeit zeigen sich in den Risikoprämien keine Konjunktursorgen. Die Bewertungen im Investment-Grade-Bereich sind allenfalls noch als fair zu bezeichnen, wohingegen das Hochzins-Segment eher teuer erscheint. Jedoch ist seit Ende der Negativzinsphase für viele Investoren zunehmend das Renditeniveau und weniger der Risikoaufschlag ausschlaggebend. Während mit Investment-Grade-Anleihen Renditen von 3,2 % erzielbar sind, sind es bei Hochzinspapieren 5,2 %. Bezüglich der Finanzkennzahlen der Unternehmen zeigen sich weit überwiegend noch keine Eintrübungen, und wir nutzen die Möglichkeit, eine im Vergleich zu defensiveren Segmenten höhere laufende Verzinsung („Carry“) bei Unternehmenspapieren zu vereinnahmen. Allerdings gehen wir angesichts der erhöhten konjunkturellen Ungewissheit selektiv vor und bevorzugen Finanz- gegenüber Industrieanleihen. Die jüngsten Quartalszahlen des Finanzsektors präsentierten sich abermals als solide, zudem sollte sich die US-Zollpolitik auf die Bilanzen nur geringfügig auswirken. Ferner gefallen uns zunehmend Emittenten aus dem Immobilienbereich. Deren Finanzkennzahlen haben sich stabilisiert und sie sollten von ersten Aufwertungen der Immobilienpreise profitieren. Zusätzlichen Rückenwind dürfte der Sektor durch die gesunkenen Refinanzierungskosten erhalten.

Unternehmensanleihen: Banken zunehmend besser aufgestellt

Im europäischen Bankensektor ist die Gesamtkapitalquote deutlich gestiegen, während sich die Qualität der Kreditbücher verbessert hat.

Zeitraum: 31.12.2014-31.12.2024, Quartalsdaten
Quelle: European Banking Authority, eigene Berechnung

Schwellenländeranleihen: Lokalwährungen bevorzugt

Nach den Marktturbulenzen infolge der Zollankündigungen am „Liberation Day“ Anfang April sah sich US-Präsident Trump gezwungen, zurückzurudern und eine 90-tägige Zollpause für Verhandlungen einzuräumen. Dies führte seither zu einer Erholung in Risikoanlagen, wovon auch Schwellenländeranleihen profitierten. Ihre Risikoprämien haben sich inzwischen auf das zuvor niedrige Niveau zurückgebildet. In der vorangegangenen Unsicherheitsphase war es zu einem deutlichen Rückgang sowohl im Kurs von US-Staatsanleihen als auch beim US-Dollar gekommen – entgegen der typischen Fluchtbewegung in vermeintlich „sichere Häfen“. Diese synchrone Schwäche wurde durch Positionsanpassungen, wachsende Unsicherheit über die politische Einflussnahme auf die US-Notenbank und Gerüchten über Bestandsverkäufe ausländischer Zentralbanken ausgelöst. Unter den Schwellenländeranleihen profitierte davon besonders das Lokalwährungssegment. Hier sind die Renditen im April weiter gesunken, während die US-Renditen kräftig stiegen. Historisch warteten Notenbanken der Schwellenländer vor ihren Zinsentscheidungen häufig auf ein Signal der US Fed, was im Fall von Zinssenkungen besonders kritisch sein kann: Hätten die Zentralbanken ihren Leitzins bereits gesenkt, hätte dies zu Kapitalabflüssen und Abwertungsdruck auf die jeweilige Währung geführt. Die jüngste Kombination aus Währungsaufwertungen und Renditerückgängen dagegen zeigt nicht nur ein gestärktes Investorenvertrauen in Schwellenländermärkte, sondern verschafft den lokalen Notenbanken auch die notwendige Flexibilität, ihre Leitzinsen nunmehr eigenständig und in Einklang mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu senken. Vor diesem Hintergrund präferieren wir das Lokalwährungssegment nicht nur wegen seiner attraktiven Verzinsung, sondern erwarten weitere Renditerückgänge, da die Inflation bereits überwunden ist und sich die Wirtschaft infolge der Zölle abzukühlen beginnt.

Schwellenländer: Geldflüsse in Lokalwährungspapiere halten an

Anders als bei US-Anleihen zeugt die sinkende Rendite von Lokalwährungspapieren in den letzten Wochen von zunehmenden Kapitalflüssen.

Zeitraum: 01.01.2024–17.06.2025
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Fazit: Verzinsung nur jenseits des Staatssegments reizvoll

Sichere Staatsanleihen bieten keine interessanten Ertragsperspektiven, erst recht nicht unter Berücksichtigung der Inflation. Sie eignen sich allenfalls als Sicherheitsnetz für temporäre Risk-Off-Phasen. Im Gegensatz dazu sehen wir bei Unternehmensanleihen noch auskömmliche Verzinsungen, bevorzugt im Finanzsektor, wo solide Kennzahlen mit gefallenen Refinanzierungskosten einhergehen. Schwellenländerpapiere in lokaler Währung könnten von sinkenden Renditen sowie aus Euro-Perspektive von Währungseffekten profitieren, desweiteren sind auch sie unter dem Aspekt der Verzinsung interessant.

Autoren

Martin Mayer
Senior Portfoliomanager Multi Asset
Felix Stern
Leiter Fixed Income Euro Ausgewogen
Wei Lon Sung
Leiter Fixed Income Emerging Markets