
Herr Schäfer, Sie verantworten das Team „Fondsstrategien und Managerselektion“ bei Berenberg. Was sind die Hauptaufgaben des Teams und wie sind Sie zu Ihrer heutigen Tätigkeit gekommen?
Unser Team hat zwei zentrale Aufgaben: Zum einen managen wir die Fondsstrategien, d.h. die Vermögensverwaltungsstrategien, die ausschließlich Fonds einsetzen, zudem unterstützen wir bei der Auswahl von Fonds und ETFs für unsere Multi-Asset-Lösungen und das Beratungsgeschäft. Die Auseinandersetzung mit Anlagestrategien begleitet mich seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn. Ich habe mein Studium berufsbegleitend über eine Sparkasse absolviert und mich schon damals intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man sinnvolle Strategien auswählt. Später konnte ich diese Grundlagen im Masterstudium vertiefen, insbesondere im Rahmen meiner Abschlussarbeit zur Fondsselektion. Bis heute fasziniert mich, wie Investmentstrategien aufgebaut sind und worin ihr Mehrwert für Anleger liegt.
Inwiefern unterscheidet sich Ihre Tätigkeit von der anderer Portfoliomanager? Was bereitet Ihnen dabei besonders Freude?
Während klassische Portfoliomanager häufig einzelne Aktien oder Anleihen analysieren, fokussieren wir uns auf Fonds und ETFs. Wir tauchen tief in die jeweiligen Strategien ein, um herauszuarbeiten, worin sich diese unterscheiden – und vor allem: in welchem Marktumfeld welcher Ansatz einen echten Mehrwert bietet. Die Portfolios unserer Fondsstrategien sind fokussiert, trotzdem werden aber durch die breite Streuung innerhalb der gewählten Fonds eine Vielzahl an Unternehmen abgedeckt. Die Herausforderung liegt in der intelligenten Kombination dieser Strategien – hinsichtlich Gewichtung, Korrelation und Charakteristik. Das macht unsere Arbeit besonders spannend. Hinzu kommt der Austausch mit Kunden, mit denen wir individuelle Lösungen entwickeln, sowie die Gespräche mit Fondsmanagern verschiedenster Marktsegmente. Diese Perspektiven erweitern unseren Blick und fließen direkt in unsere Plattform ein.
Wie gestalten Sie den Auswahlprozess bei Investmentfonds, insbesondere bei aktiven Fondsmanagern? Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten Fondsmanager aus?
Unser Auswahlprozess ist mehrstufig und darauf ausgerichtet, Strategien zu identifizieren, die über einen strukturierten Anlageprozess ihre Stärken aus der Vergangenheit auch künftig abrufen können. Den Anfang macht die quantitative Analyse: Wir werten historische Daten mithilfe spezialisierter Tools aus – darunter auch ein eigenes Analysetool, das wir im Haus entwickelt haben. Auf dieser Basis führen wir Gespräche mit den Managern der aussichtsreichsten Fonds. Dabei geht es uns nicht nur um die Analyseergebnisse, sondern auch darum, die Denkweise, Motivation und Konsequenz des Managements zu verstehen. Ein guter Fondsmanager überzeugt durch einen klaren Prozess – und die Fähigkeit, diesen diszipliniert umzusetzen.
Sie analysieren neben aktiven Fonds auch ETFs. Wann bevorzugen Sie ETFs, wann aktive Fonds? Worauf kommt es bei der ETF-Auswahl jenseits der Kosten an?
Wir verfolgen keinen dogmatischen Ansatz – weder pro aktiv noch pro passiv. Für uns ist entscheidend, mit welcher Strategie wir einen Investmentcase nach Kosten am effizientesten und sinnvollsten umsetzen können. ETFs eignen sich hervorragend, um taktische Überlegungen umzusetzen, besonders in effizienten Märkten oder zur Steuerung von Quoten. Um gezielt Alpha zu generieren, setzen wir hingegen auf aktive Strategien. Obwohl ETFs gemeinhin als simpel gelten, steckt der Teufel oft im Detail. Neben den Kosten spielen steuerliche Aspekte, die Replikationsmethode und auch der Auflageort eine wichtige Rolle. Gerade im vermeintlich homogenen Markt der S&P 500-ETFs können solche Details zu Performanceunterschieden von 20 Basispunkten und mehr führen. Auch hier liegt für uns das Potenzial, über die Produktauswahl echten Mehrwert für unsere Anleger zu schaffen
Ein Trend aus den USA schwappt nach Europa über: Immer mehr „aktive“ ETFs kommen auf den Markt. Was steckt dahinter? Und verschwimmen damit nicht die Grenzen zwischen aktivem und passivem Investieren?
Klassische ETFs bilden eine Benchmark möglichst genau nach – passiv und regelbasiert. Aktive ETFs verfolgen hingegen das Ziel, diese Benchmark zu schlagen. Dazu weichen sie bewusst in ihren Selektionen ab. Im Gegensatz zu klassischen Fonds sind ihre Spielräume jedoch oft enger definiert – etwa über Bandbreiten oder Faktorvorgaben. Insofern handelt es sich häufig um regelbasierte Ansätze mit aktivem Anspruch. In den USA wird dieser Trend auch durch steuerliche Vorteile begünstigt; in Europa erfolgt das Wachstum etwas langsamer, aber stetig. Der neue Mantel aktiver ETFs vereint Transparenz, Handelbarkeit und Kostenstruktur eines ETFs mit aktiven Elementen – ein Konzept, das definitiv Potenzial hat
Im Juni hat Berenberg die neue, fondsbasierte Vermögensverwaltungsstrategie „Berenberg Go“ gestartet. Was macht diese Strategie besonders, und für wen ist sie geeignet?
„Berenberg Go“ kombiniert unser internes Know-how mit der Flexibilität und Effizienz von ETFs. Die aktive Steuerung der Assetklassenquoten ist ein zentrales Element der Anlagestrategie. Außerdem setzen wir auf ausgewählte Berenberg-Fondslösungen und kombinieren diese mit ETFs. Dadurch können wir neben Aktien und Anleihen auch Gold- und Rohstoffinvestments integrieren und das Multi-Asset-Universum breit abbilden. Das Ergebnis ist eine moderne, kosteneffiziente und dynamisch gesteuerte Lösung. Die Strategie richtet sich an anspruchsvolle Anleger, die eine professionelle Vermögensverwaltung mit diskretionärer Steuerung und gezielten Alpha-Chancen suchen – und dabei auf ein durchdachtes Zusammenspiel aus aktiven und passiven Bausteinen setzen.
Wie unterscheidet sich „Berenberg Go“ von der klassischen Fondsstrategie „Berenberg Multi Manager“?
Der Hauptunterschied liegt im Spektrum der eingesetzten Fonds. Während wir bei „Berenberg Go“ mit internen Fonds und ETFs arbeiten, fließen bei „Berenberg Multi Manager“ zusätzlich ausgewählte Strategien externer Anbieter ein – nach einem Best-in-Class-Ansatz. Gemeinsam ist beiden Strategien jedoch die Philosophie: aktives Quotenmanagement, gezielte Beimischung alternativer Anlagen wie Gold und ein strukturierter Auswahlprozess. Es sind also zwei Varianten derselben Grundüberzeugung – unterschiedlich in der Umsetzungstiefe.
Wie hat sich die Fondslandschaft in den vergangenen Jahren verändert? Welche Trends werden derzeit noch unterschätzt?
Der ETF-Trend hat die Fondslandschaft stark verändert. Heute lassen sich viele Märkte und Themen kosteneffizient abbilden – und durch den börslichen Handel auch flexibel steuern. Besonders dynamisch ist der Bereich der aktiven ETFs. Auch wenn ihr Wachstum in Europa langsamer verläuft als in den USA, ist ihr Potenzial nicht zu unterschätzen. Daneben sehe ich eine Renaissance aktiver Fonds – besonders im Anleihebereich, zunehmend aber auch bei Aktien. Denn der Markt wird selektiver: Die lange Zeit prägende Dominanz weniger großer Technologietitel könnte an Bedeutung verlieren. Damit steigen die Chancen für aktives Management. Es bleibt allerdings anspruchsvoll, echte Mehrwertstrategien zu identifizieren. Genau darin liegt unser Anspruch – und unsere Aufgabe.
Unser Interviewgast

Tobias Schäfer
Tobias Schäfer ist seit Juli 2018 im Unternehmen. Als Portfoliomanager im Multi Asset Team ist er mitverantwortlich für die fondslastigen vermögensverwaltenden Kernstrategien sowie die Fonds- und ETF-Auswahl. Nach einer Banklehre und einem nebenberuflichen Bachelorstudium in Banking & Finance schloss er das Master of Finance Studium an der Frankfurt School of Finance & Management ab. Herr Schäfer war vor seinem Einstieg bei Berenberg im Juli 2018 zuerst in der Vermögensverwaltung der Sparkasse Darmstadt tätig und anschießend Portfolio Manager im institutionellen Multi Asset Portfolio Management bei Union Investment.