Etwas Entspannung nach dem Zolltheater

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das dritte Quartal 2025.

Horizonte | Kapitalmarktausblick

Multi-Asset-Strategie

Auf den Punkt

  • Fehlender Optimismus der Anleger sowie reduzierte Erwartungen an Konjunktur und Gewinne dürften bei mehr Klarheit über Zölle und Steuersenkungen risikobehaftete Anlagen unterstützen.

  • Schwer interpretierbare Konjunkturdaten, eine schwächere US-Wirtschaft, Trumps Unberechenbarkeit, der Krieg zwischen Israel und Iran und die Gefahr steigender Renditen langfristiger Anleihen halten das Risiko jedoch hoch und sprechen gegen große Positionen.

  • Wir bevorzugen nach wie vor Gold, Industriemetalle und Aktien. Rückschläge bei Aktien dürften Chancen bieten. Bei Anleihen liegt unser Fokus weiterhin auf der Vereinnahmung von Risikoprämien bei kürzerer bis mittlerer Duration. Gold bleibt das größte Übergewicht.

Portfoliopositionierung auf einen Blick

Die Marktkorrektur Anfang April aufgrund der Zollankündigung hatten wir genutzt, um unsere Aktienquote auf ein leichtes Übergewicht anzuheben. Nach der schnellen Erholung der Aktienmärkte durch die wenige Tage später ausgerufene Zollpause nahmen wir diese Gewinne mit. Auch bei Gold profitierten wir von einer vorübergehenden taktischen Reduzierung. Wir sind weiter davon überzeugt, dass angesichts der hohen Unsicherheit eine ausgewogene, gut diversifizierte Positionierung und das Nutzen erhöhter Volatilität für taktische, antizyklische Positionen sinnvoller ist als das Eingehen großer aktiver Positionen bei nur begrenzter Überzeugung. Unsere Strategien sind damit unverändert breit diversifiziert und nahezu ausgewogen aufgestellt. Unsere Auffassung, dass im Umfeld explodierender Staatsschulden und strukturell erhöhter Inflation Sachwerte gegenüber nominellen Staatsanleihen bevorzugt werden sollten, findet sich klar wieder. Gold bleibt das größte Übergewicht und wird durch weitere Rohstoffe, insbesondere Industriemetalle, in Strategien, die dies erlauben, ergänzt. Aktien sind leicht übergewichtet. Anleihen, insbesondere Staatsanleihen, sind dagegen untergewichtet. Bei Anleihen bevorzugen wir Pfandbriefe, Hochzinsanleihen sowie Lokalwährungsanleihen aus den Schwellenländern.

Berenberg Asset-Allokation

Rückblick zweites Quartal – viel Volatilität, wenig Trend

Trumps Verkündung reziproker Zölle am 2. April löste den schnellsten und stärksten Abverkauf bei Aktien seit der Corona-Krise aus. Auch die Volatilität stieg auf das höchste Niveau seit März 2020. Die Verunsicherung an den Märkten war so groß, dass Trump nur wenige Tage später die verkündeten Zölle für 90 Tage aussetzte. Nur für China folgte der gleiche Schritt erst nach einer weiteren Eskalation im Mai. Die Aktienmärkte erholten sich danach von ihrer Korrektur und stehen unweit der Niveaus vom Quartalsbeginn. Es zeigte sich, dass das Haushaltsdefizit in den USA weiter steigen dürfte. Dazu passend stufte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit der USA ab. Die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen stiegen, der US-Dollar wertete weiter ab. Wachstumsbefürchtungen lasteten auf Industriemetallen und drückten zusammen mit angekündigten OPEC-Fördererhöhungen den Ölpreis bis diesem der Israel-Iran-Konflikt neuen Rückenwind gab. Der Goldpreis legte weiter zu.

Gold steigt in Q2 erneut, Euro-Anleihen mit positiver Entwicklung, Aktien kaum verändert, Ölpreis fällt etwas, Dollar deutlich schwächer

Zeitraum: 17.06.2020–17.06.2025
Quelle: Bloomberg * CAGR = annualisierte Rendite (in %, in EUR); Std.-Abw. = annualisierte Standardabweichung (in %, in EUR).

Konjunkuturausblick – Daten im Sommer wenig aussagekräftig

Mit dem Zollchaos, dem negativen US-Wachstum im ersten Quartal und negativen US-Konjunkturüberraschungen ist die Konsenserwartung für das US-Wachstum 2025 vom Hoch im Februar um ca. einen Prozentpunkt auf 1,4 % gefallen. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück und Verbraucher mit Ausgaben. In Europa sind die Erwartungen nur leicht rückläufig, aber eine Erholung scheint sich zu verzögern. Auch die Gewinnwachstumserwartungen für 2025 wurden global nach unten revidiert, beispielsweise für den S&P 500 von 14 % zu Jahresbeginn auf aktuell nur noch 8 %, obwohl die Q1-Berichtssaison positiv ausgefallen ist. Die reduzierten Erwartungen sind deutlich realistischer, besonders für die US-Gewinne, die vom schwachen Dollar profitieren. Mehr Klarheit bei den Zöllen und Aussichten auf US-Steuersenkungen könnten die Konjunktur zunehmend stützen. Die Wirtschafts- und Gewinndaten zum zweiten Quartal dürften jedoch kein klares Bild bieten. Zolleffekte überlagern das Bild. So lasteten im ersten Quartal beispielsweise hohe Importe (Vorzieheffekte) auf dem US-Wachstum. Die wegbrechenden Importe im zweiten Quartal könnten das Wachstum nun stützen. Die US-Inflation dürfte wieder anziehen und der Nahostkonflikt bringt höhere Ölpreise. Die Unsicherheit wird hoch bleiben.

Rückläufige Wachstumserwartungen, besonders für die USA

Mit dem Trump-Hype erreichte das erwartete US-Wachstum 2025 im Februar seinen Höhepunkt, fiel dann aber mit dem Zolltheater in Q2

Zeitraum: 31.12.2024–17.06.2025
Quelle: Bloomberg

Trumps Rennen um die Zwischenwahlen dürfte viel bestimmen

Mit rund 170 Milliarden Dollar verfehlen die amerikanischen Sparanstrengungen (DOGE) Elon Musks Ziel von 1 bis 2 Billionen und dürften mit seinem Abgang im Sande verlaufen. Stattdessen versucht die Trump-Regierung jetzt mittels Steuersenkungen aus der Verschuldungsmisere „herauszuwachsen“. Ob das gelingt, ist unklar. Sicher ist, dass die Pläne zunächst noch mehr Schulden bringen – geschätzte 2 bis 3 Billionen Dollar über zehn Jahre, das Gros davon in den nächsten paar Jahren. Die Details der Steuerpläne und deren Implikationen dürften zu den bestimmenden Themen im dritten Quartal gehören. Eine Verabschiedung der Pläne vor August oder September ist wenig wahrscheinlich. Trump steht jedoch unter Druck, seine Wahlversprechen einzulösen und die schwächelnde Konjunktur zu stimulieren, denn die Zwischenwahlen finden in weniger als 18 Monaten statt und seine Zustimmungswerte sind im Keller. Um danach nicht als „lahme Ente“ dazustehen, braucht Trump einen starken Arbeitsmarkt, eine robuste Konjunktur und niedrige Zinsen.

Potenzial für den Goldpreis steigt mit der Verschuldung der USA

Angesichts nicht nur in den USA steigender Staatsverschuldung und eines abwertenden US-Dollars bleibt Gold als sicherer Hafen gefragt

Zeitraum: 31.12.1993–31.12.2035; Stand: 17.06.2025
Quelle: Bloomberg, Congressional Budgest Office, eigene Berechnungen

Steigende Staatsschulden: Risiko für Staatsanleihen und Dollar, Chance für Substanzwerte (Aktien, Gold), globale Diversifikation

Eine höhere Verschuldung, robustes Wachstum und unverändert hohe Inflation sprechen jedoch gegen fallende Renditen. In den kommenden Jahren muss die US-Regierung voraussichtlich jedes Quartal Käufer für zusätzliche 500 bis 600 Milliarden US-Dollar an Staatspapieren finden. Dies dürfte nur mit hoher Rendite und einem noch schwächeren US-Dollar gelingen, zumal steigende Staatsverschuldungen ein globales Phänomen sind. Der IWF betonte jüngst, dass in Ländern, auf die 80 Prozent des weltweiten BIP entfallen, die Staatsverschuldung höher ist als vor der Pandemie und der Anstieg sich noch beschleunigt. Auch auf niedrigere Zinsen durch die Fed kann Trump kurzfristig kaum hoffen. Notenbankchef Powell ist noch bis Mai 2026 im Amt. Trump bleibt nur die Möglichkeit, die Nachfolge frühzeitig mit einer Person festzulegen, die sich für Zinssenkungen, eine erneute quantitative Lockerung oder gar eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve ausspricht – in der Hoffnung, dass die Märkte dies bereits einpreisen. Ob dies hilft, die steigenden Anleiherenditen längerer Laufzeiten zu stoppen, erscheint uns jedoch fraglich.

Wohl schwächerer Dollar und weiter steigende Anleiherenditen

30-jährige Anleihen sind in den USA auf 5 % und in Deutschland und Japan auf 3 % gestiegen; US-Dollar fällt trotz steigender UST-Renditen

Zeitraum: 01.01.1995–17.06.2025
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Staatsanleihen sind die Leidtragenden, wenn hohe, steigende und prozyklische Fiskalausgaben eine Rezession unwahrscheinlicher machen, das Angebot an Anleihen erhöhen und Aktien, Gold und andere Rohstoffe unterstützen. Nicht zuletzt ist aufgund der damit einhergehenden Inflationsrisiken dann der Schutz der Kaufkraft für Anleger von größerer Bedeutung. Wir argumentieren schon lange, dass ein Umfeld steigender Staatsverschuldung, zunehmender fiskalischer Dominanz und finanzieller Repression zur Sicherstellung der Schuldentragfähigkeit des Staates für einen deutlichen Anteil von Anlagen mit Sachwertcharakter im Portfolio spricht, zulasten von Anleihen. So ist der Goldpreis in den letzten Jahrzehnten parallel zur Verschuldung der USA gestiegen. Entwickeln sich beide weiter parallel, dürfte der Goldpreis im Jahr 2035 bei 6.000 USD pro Unze stehen. Das entspräche einer annualisierten Rendite von 6,3 %. Wir halten weiter steigende US-Anleiherenditen längerer Laufzeiten für ein Hauptrisiko für die Märkte. Eine sich abschwächende US-Wirtschaft könnte dieses Risiko jedoch vorübergehend reduzieren. Der US-Dollar dürfte sich mittelfristig weiter abschwächen, ähnlich der Phase 2003 bis 2008. Eine Normalisierung der Bewertung des US-Dollars und von US-Dollar-Anlagen in den kommenden Jahren ist wahrscheinlich, was mittelfristig auf eine bessere relative Entwicklung von Anlagen außerhalb der USA hindeutet. Besonders Anleger, die in den letzten Jahren stark auf US-Anlagen gesetzt haben, sollten dies überdenken.

Autor

Prof. Dr. Bernd Meyer
Chefanlagestratege und Leiter Multi Asset
Telefon +49 69 91 30 90-225