Auf den Punkt
Hohe Positionierungen systematischer Anleger erhöhen die Anfälligkeit risikobehafteter Anlagen. Stabiles Konjunktur- und Gewinnwachstum, Zinssenkungen und Trends wie Künstliche Intelligenz oder Verteidigung stützen den Aktienbullenmarkt. Rückschläge bieten Chancen.
Politische Risiken, fiskalische Dominanz und finanzielle Repression bleiben bestimmende Themen. Ein starker Renditeanstieg bleibt deshalb ein Hauptrisiko für die Märkte und Sachwerte und knappe Anlagen unterstützt.
Wir bevorzugen nach wie vor Aktien und Edelmetalle. Bei Anleihen liegt unser Fokus weiterhin auf der Vereinnahmung von Risikoprämien bei kürzerer und mittlerer Duration. Gold wurde um Silber ergänzt und bleibt das größte Übergewicht.
Portfoliopositionierung auf einen Blick
Dank unseres verhalten konstruktiven Ausblicks und der niedrigen Positionierung von Anlegern im Juni starteten wir in das zweite Halbjahr mit einem moderaten Übergewicht in Aktien, ohne eine klare Präferenz für Europa oder die USA zu haben. An dieser Position haben wir seither festgehalten und bleiben mittelfristig konstruktiv für Aktien eingestellt. Bei unverändertem Ausblick wäre ein Rücksetzer aus unserer Sicht eine Kaufgelegenheit. Unser größtes Übergewicht besteht nach wie vor bei Gold. Ende August haben wir unsere Position in Industriemetallen in Silber getauscht. Für Silber sprach neben der positiven Markttechnik die günstige Bewertung im Vergleich zu Gold. Zudem kaufen nun auch die ersten Zentralbanken Silber. Langfristig bleiben wir für Industriemetalle optimistisch, erwarten aufgrund der Zollthematik kurzfristig jedoch kein großes Aufwärtspotenzial. Unsere Auffassung, dass im Umfeld explodierender Staatsschulden und strukturell erhöhter Inflation Sachwerte gegenüber nominellen Staatsanleihen bevorzugt werden sollten, spiegelt sich deutlich wider. Anleihen, insbesondere Staatsanleihen, sind dagegen untergewichtet. Bei Anleihen bevorzugen wir Pfandbriefe, Hochzinsanleihen, sowie Nischensegmente wie Lokalwährungsanleihen aus den Frontier-Märkten oder Katastrophenanleihen.
Berenberg Asset-Allokation
Rückblick drittes Quartal – Abnehmende Unsicherheit hilft
Einigungen im Zollstreit brachten im dritten Quartal Schritt für Schritt mehr Klarheit, Trumps Steuersenkungen des „One Big Beautiful Bill Act“ wurden zügig verabschiedet und die US-Gewinne entwickelten sich überraschend positiv, auch dank niedriger Erwartungen und des schwachen US-Dollars. Zusammen war das ein Rezept für deutlich sinkende Volatilitäten. Im dritten Quartal lagen diese für alle Anlageklassen unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Systematische Anlagestrategien, die Ende des zweiten Quartals nur gering in Aktien positioniert waren, bauten dort Positionen auf. Zudem verzeichneten alle Anlageklassen deutliche Fondszuflüsse. Das unterstützte die Märkte. Aktienmärkte, insbesondere US-Aktien, kletterten im Juli und August auf neue Hochstände. Nach den Verlusten im ersten Halbjahr tendierte der US-Dollar volatil seitwärts. Aus Sicht eines Euro-Anlegers erzielten alle Anlageklassen im dritten Quartal Gewinne, allen voran Gold, Silber, Aktien aus den Schwellenländern und den USA. Aber auch europäische Aktien und Schwellenländernanleihen legten zu. Staatsanleihen verzeichneten die geringsten Zuwächse.
Vieles im Plus im dritten Quartal: Edelmetalle, Aktien und Öl legten seit Juni deutlich zu, Unternehmens- vor Staatsanleihen, Dollar stabil
Konjunkuturausblick – Mehr oder weniger „Weiter so“
Der Mix aus Inflation und Wachstum bleibt insbesondere in den USA unsicher. Zollbedingt dürfte die Inflation in den kommenden Monaten ansteigen. Die US-Importpreise, gemessen in US-Dollar und vor Zöllen, waren bisher relativ stabil. Die Dollarabwertung hat also bisher keine importierte Inflation verursacht. Entweder hatten die Lieferanten die Währung abgesichert oder sie akzeptieren niedrigere Preise in ihrer Währung. Dies ist einer der Gründe für die schwächeren Unternehmens-ergebnisse in Europa. Stabile Importpreise in den USA bedeuten jedoch auch, dass US-Unternehmen und -Konsumenten die Zolllast tragen. Die amerikanische Zentralbank erachtet die Zölle jedoch als vorübergehende Inflationstreiber. Für sie überwiegt das Risiko einer schwächeren Konjunkturentwicklung und insbesondere eines schwächeren Arbeitsmarktes. Aus diesem Grund hat sie am 17. September nach längerer Pause die Zinsen erneut gesenkt. Der Markt erwartet bis Ende 2026 mindestens vier weitere Zinssenkungen. Das erachten wir als zu optimistisch. Unsere Volkswirte erwarten zunächst nur eine weitere Senkung im Oktober dieses Jahres. Die unverändert expansive Fiskalpolitik, die lokerere Geldpolitik und der schwächere US-Dollar begünstigen die Konjunkturentwicklung in den USA. Trotz der Belastungen durch die Zölle dürfte die Konjunktur 2026 ähnlich stark wachsen wie 2025. Auch in anderen Regionen zeichnet sich laut des Konsensus der Volkswirte keine klare Beschleunigung oder Verlangsamung der Konjunktur ab.
Kaum Impulse von Wachstumsveränderungen für die Märkte
Die Konsensus-Wachstumserwartungen (%) der Volkswirte waren zuletzt recht stabil; 2026 Wachstum auf ähnlichem Niveau erwartet wie 2025
Steilere Renditestrukturkuven bis zur Kurvenkontrolle
Auch wenn die Renditestrukturkurven bereits wieder deutlich steiler sind, liegt der Abstand der Renditen für zehnjährige und zweijährige Staatsanleihen noch immer unter dem historischen Durchschnitt: In Deutschland beträgt der Abstand ca. 20Bp, in den USA 40-50Bp. Weitere Zinssenkungen durch die amerikanische Zentralbank dürften daher kaum zu niedrigeren Renditen für längere Laufzeiten führen. Dies gilt umso mehr, da auch die hohe und steigende Verschuldung, das schwindende Vertrauen in die Unabhängigkeit der Fed und Zinssenkungen trotz einer zu hohen und steigenden Inflation ein Rezept für steigende langfristige Inflationserwartungen und höhere Laufzeitenprämien sind. Insbesondere die Renditen für 30-jährige Staatsanleihen sind seit Ende Juni für die meisten Regionen weiter gestiegen: Deutschland +12Bp, UK +14Bp, Japan +29Bp. In den USA dürfte sich die US-Regierung durch ihr Schuldenmanagement (geringere Emissionsvolumina für längere Laufzeiten, Rückkäufe von langlaufenden Anleihen), durch Finanzregulierung und andere Instrumente gegen höhere Renditen am langen Ende stemmen. Auch könnte die Fed erneut Anleihen kaufen (QE). Damit bewegen wir uns immer offensichtlicher in ein Umfeld finanzieller Repression, in dem Anleger keine angemessene reale Rendite auf Staatsanleihen erzielen dürften. Staatsanleihen halten wir aus diesem Grund unverändert nur in einem Szenario einer deutlichen Wirtschaftsabschwächung oder Rezession für attraktiv.
Renditestrukturkuven: weitere Versteilerung wahrscheinlich
Hohe Defizite und fiskalische Dominanz sprechen für weitere Versteilerung; QE oder Renditekurvenkontrolle könnten dem entgegegen wirken
Aktien und Edelmetalle mittelfristig weiter unterstützt
Fiskalische Dominanz, finanzielle Repression und hohe Haushaltsdefizite begünstigen reale und knappe Anlagen gegenüber dem US-Dollar und Staatsanleihen. Der Dollar dürfte sich mittelfristig abschwächen, was eine bessere relative Entwicklung von Anlagen außerhalb der USA erwarten lässt. Solange keine Finanzkrise mit stark steigenden Anleiherenditen eine fiskalische Kehrtwende in den USA oder Teilen Europas erzwingt – ein Risiko, das wir langfristig für möglich halten, aber kurzfristig nicht erwarten – sollte der Bullenmarkt bei Aktien und Edelmetallen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten anhalten. Gestützt wird er von soliden nominellen Gewinnen und weiter befeuert durch Fed-Zinssenkungen, die möglicherweise denen von 1998 im Zuge der Russland/LTCM-Krise vergleichbar sind. Bärenmärkte werden erfahrungsgemäß durch Zinserhöhungen, nicht -senkungen ausgelöst. Käme es kurzfristig zu einem Ende des Aktienbullenmarktes, wäre dieser im historischen Vergleich eher kurz und schwach. Zwar ist nach der starken Erholung seit der Korrektur im April und angesichts hoher Positionierungen regelbasierter Anlagestrategien sowie politischer Risiken eine erneute Gegenbewegung wahrscheinlicher geworden, zumal der Oktober historisch auch der Monat mit der höchsten Volatilität ist. Jedoch dürfte Präsident Trump mit Blick auf die Zwischenwahlen im kommenden Jahr in einem solchen Fall unterstützend für die Konjunktur und die Märkte agieren. Deshalb wäre es aus unserer Sicht falsch, mittelfristig zu pessimistisch gegenüber risikobehafteten Anlagen zu werden. Nach dem typischerweise volatilen September und Oktober dürften Aktien vorerst unterstützt bleiben. In Zwischenwahljahren liefen Aktien historisch bis März/April gut. Danach wurde es in diesen Jahren häufig volatiler und erst nach den Wahlen ging es weiter aufwärts.
Abnehmende Unsicherheit machte Anleger wieder mutiger
Die Volatilität an den Finanzmärkten fiel im dritten Quartal auf das niedrigste Niveau des Jahres; systematische Anleger kauften folglich Aktien
Autor

Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Prof. Dr. Bernd Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.