Auf den Punkt
Trumps Zollpolitik schwächt die USA und verschiebt den Aufschwung in der Eurozone. Handelsdeals bis Juli 2025?
Neue Bundesregierung: Rückenwind durch Reformen sowie Mehrausgaben für Militär und Infrastruktur.
Fed und jetzt auch die EZB sind am Ende des Zinssenkungszyklus angekommen.
Europa: US-Zollpolitik verschiebt den Eurozonen-Aufschwung
Das reale Bruttoinlandsprodukt der Eurozone expandierte im ersten Quartal mit 0,6 % im Vergleich zum Vorquartal stärker als erwartet. Neben einem sprunghaften Anstieg der Investitionen trugen insbesondere höhere Exporte zu dem guten Ergebnis bei. Dabei sind die starken Ausfuhren wohl insbesondere auf Vorzieheffekte zurückzuführen, da Unternehmen den drohenden US-Zöllen zuvorkommen wollten.
Die unberechenbare US-Zollpolitik ist derzeit der Hauptbremsfaktor für die europäische Konjunktur. Die Verhandlungen zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) kamen in den vergangenen Monaten nur schleppend voran. Zuletzt hat US-Präsident Donald Trump den Druck nochmals deutlich erhöht. Er hat die Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium auf 50 % verdoppelt und droht zudem mit Zöllen in Höhe von 50 % auf alle Waren aus der EU, die ab dem 9. Juli in Kraft treten könnten. Ein eskalierender Zollstreit zwischen den USA und der EU würde beide Seiten hart treffen. Daher erwarten wir, dass man sich zeitnah zumindest auf ein Rahmenabkommen einigen wird. Trump wird seine Zölle aber wohl nicht vollständig zurücknehmen, sodass wir damit rechnen, dass der zusätzliche Durchschnittszoll der USA auf Einfuhren aus der EU am Ende bei etwa 10 % liegen wird. Damit würden die Abgaben, die europäische Unternehmen für Einfuhren in die USA zahlen müssen, deutlich höher liegen als vor der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Ein Ende der Planungsunsicherheit würde die hiesige Konjunktur aber beleben. Positiv macht sich zudem bemerkbar, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 5. Juni den Einlagesatz zum achten Mal seit Mitte 2024 auf nun 2,0 % gesenkt hat. Diese geldpolitische Lockerung wird sich zunehmend positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Der Arbeitsmarkt ist derweil weiterhin stabil, und die steigenden Fiskalausgaben, insbesondere in Deutschland, werden ab dem Jahreswechsel für zusätzlichen Rückenwind sorgen. Nach einer derzeit schwächeren konjunkturellen Phase wird dies der Eurozone voraussichtlich helfen, in den kommenden Quartalen wieder etwas an Schwung aufzunehmen.
Deutschland: Neue Regierung muss Reformen angehen
Die Herausforderungen, mit denen sich die neue Bundesregierung auseinandersetzen muss, sind vielfältig. Sie reichen von geopolitischen Bedrohungen bis hin zu wirtschaftlichen Strukturproblemen. Die Lockerung der Schuldenbremse für Mehrausgaben in den Bereichen Infrastruktur und Verteidigung wird dabei helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen.
Aber Geld allein wird die Probleme nicht lösen. Es wird darauf ankommen, dass die neue Regierung geschlossen auftritt und insbesondere auf der Angebotsseite Reformen in Angriff nimmt. Zudem muss darauf geachtet werden, dass der neu gewonnene fiskalpolitische Spielraum nicht für konsumtive Ausgaben genutzt wird, sondern die zusätzlichen Mittel in zukunftsorientierte Investitionen fließen. Es wird noch bis 2026 dauern, bis die neuen Gelder in größerem Umfang fließen. Sie werden dann aber voraussichtlich dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft nach drei Jahren der Stagnation wieder Expansionsraten von über 1 % erzielen kann.
Stimmung in Deutschland hellt sich langsam etwas auf
Verbrauchervertrauen und Geschäftsklima in Deutschland
USA: Trump schadet den USA mehr als anderen Ländern
Während sich die USA mit Großbritannien auf ein erstes Handelsabkommen geeinigt und mit China ein Rahmenabkommen abgeschlossen haben, verlaufen die Verhandlungen mit der Europäischen Union schleppender. Insgesamt erscheint die US-Wirtschaft bisher noch recht robust. Die restriktive Einwanderungspolitik unter Trump sowie die protektionistische Handelspolitik werden das Wachstum in den USA in den kommenden Monaten jedoch voraussichtlich deutlich verlangsamen. Angesichts der hohen Unsicherheit halten sich die Unternehmen mit Investitionen zurück, und auch die Stimmung unter den Verbrauchern hat sich zuletzt eingetrübt. Gerade weil die Schäden für die USA sonst erheblich sein könnten, erwarten wir, dass Trump aus eigenem Interesse bis Mitte Juli Handelsabkommen mit der EU und anderen Regionen abschließen wird. Nach der negativen Reaktion der Märkte auf den Zollschock vom 2. April hat er die meisten Zusatzzölle für 90 Tage ausgesetzt. Er reagiert offenbar doch, wenn ihm Märkte und Unternehmen die rote Karte zeigen.
USA: Kurzfristige Inflationserwartungen zuletzt angestiegen
Inflationserwartung der Verbraucher und Unternehmen für die nächsten 12 Monate in %
Keine weiteren Zinssenkungen der Zentralbanken in Sicht
Die restriktivere US-Einwanderungspolitik und die höheren Einfuhrzölle werden den Preisdruck in den USA erhöhen und die Inflationsrate in den kommenden Monaten wieder ansteigen lassen. Zusätzlich inflationstreibend werden sich die zuletzt aufgrund der Eskalation im Nahen Osten gestiegenen Ölpreise auswirken. Die kurzfristigen Inflationserwartungen von Verbrauchern und Unternehmen haben in den USA zuletzt bereits deutlich zugelegt. Zeitgleich ist der Arbeitsmarkt noch immer robust, sodass sich die Fed weiterhin auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren kann und den Leitzins nicht weiter senken wird. In der Eurozone ist die Inflation im Mai hingegen auf 1,9 % im Vorjahresvergleich zurückgegangen. Dies liegt in begrenztem Umfang auch am Zollstreit mit den USA, der die Inflation derzeit eher dämpft. Der starke Euro verbilligt Importe, und chinesische Waren, die aufgrund der hohen US-Zölle nach Europa umgelenkt werden, erhöhen den preislichen Wettbewerb in der Eurozone. Die gesunkene Inflation hat es der EZB ermöglicht, den Einlagesatz am 5. Juni erneut um 25 Basispunkte auf nun 2,0 % zu senken. Dies könnte jedoch der letzte Zinsschritt gewesen sein. EZB-Präsidentin Lagarde betonte mehrfach, dass sich die EZB nun „in einer guten Position“ wähnt, um durch „die unsicheren Bedingungen zu steuern, die bevorstehen“. Dies stützt unsere Ansicht, dass die EZB die geldpolitische Lockerung vorerst abgeschlossen hat. Viel hängt jedoch davon ab, wie sich der Handelsstreit zwischen den USA und der EU entwickelt. Sollten sich die Verhandlungen länger hinziehen als gedacht oder weiter eskalieren und dadurch die Konjunktur in der Eurozone stärker beeinträchtigen, hätte die EZB die Möglichkeit, den Leitzins noch weiter zu senken.
Wachstums- und Inflationsprognosen
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