Europa robust, USA profitiert vom KI-Boom

Das Team Multi Asset Strategy & Research geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das erste Quartal 2026.

Horizonte | Marktausblick

Volkswirtschaft

Auf den Punkt

  • Nach einem robusten dritten Quartal wird die Eurozone voraussichtlich auch im kommenden Jahr solide wachsen.

  • Der Fiskalimpuls wird die deutsche Wirtschaft 2026 beleben, weitere Reformen sind aber notwendig.

  • Trumps Politik belastet die Wirtschaft, der derzeitige KI-Boom kommt dem Präsidenten daher gerade recht.

Uneinheitliches Wachstum in der Eurozone

Trotz des Trumpschen Zollchaos und der chinesischen Exportschwemme konnte die Wirtschaft der Eurozone im dritten Quartal um 0,3 % im Vergleich zum Vorquartal zulegen. Besonders stark fiel das Wachstum mit 0,6 % in Spanien aus. Während die ehemaligen Sorgenkinder der Eurozone weiterhin robust wachsen, sind es inzwischen die großen Volkswirtschaften Westeuropas, die beim Wachstum die rote Laterne übernommen haben. Die Wirtschaftskraft in Spanien und Griechenland liegt mittlerweile 10 % höher als vor der Corona-Pandemie. In Frankreich sind es lediglich 6 %. Deutschland stagniert weiterhin auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Insgesamt hat die Eurozonenkonjunktur im dritten Quartal aber leicht positiv überrascht und könnte im nächsten Jahr sogar noch an Schwung gewinnen. Stützend wirkt sich aus, dass der Arbeitsmarkt in der Eurozone trotz des verhaltenen Wachstums weiterhin stabil ist, die Unsicherheit im Handelsstreit mit den USA nachgelassen hat und die EZB-Zinssenkungen zunehmend in der Realwirtschaft ankommen. 2026 ist darüber hinaus mit zusätzlichem Rückenwind durch die steigenden Fiskalausgaben, insbesondere in Deutschland, zu rechnen. Die größte Gefahr für die Eurozone geht derweil von der politischen Instabilität und der hohen Schuldenlast in Frankreich aus.

Eurozone: Das Süd-Nord-Gefälle

Aufschwung nach der Pandemie: Rote Laterne Deutschland

Reales BIP, Q4 2019 = 100. Quartalsdaten. Zeitraum: 01/2017–12/2027
Quellen: Eurostat, Berenberg
  • Deutschlands Wirtschaftskraft stagniert weiterhin auf demselben Niveau wie vor der Pandemie.

Deutschland: Reformen müssen das Fiskalpaket begleiten

Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal nicht gewachsen. Negativ zu Buche schlugen die Exporte, die im Vergleich zum Vorquartal abnahmen. Die Ausrüstungsinvestitionen haben hingegen zugenommen und deuten möglicherweise auf die ersten Auswirkungen der zusätzlichen Staatsausgaben, vor allem im Rüstungssektor, hin. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist derzeit durchwachsen. Im Dienstleistungssektor bewerten die Unternehmen die Lage deutlich besser als im verarbeitenden Gewerbe. Hier lasten weiterhin insbesondere die hohen Energiepreise, der Fachkräftemangel, die zunehmende chinesische Konkurrenz und die anhaltenden Unsicherheiten im globalen Handel auf der Stimmung. Die Einschätzung der deutschen Unternehmen zur aktuellen Lage hat sich zuletzt kaum verbessert. Die Erwartungen für die nächsten sechs Monate sind hingegen deutlich gestiegen. Dieser Optimismus ist vor allem auf die gelockerte Schuldenbremse und die damit einhergehende deutliche Ausweitung der Staatsausgaben zurückzuführen. Die Regierung muss bei den Reformen jedoch energisch weitermachen, damit die Mehrausgaben nicht nur zu einem Strohfeuer führen, sondern das deutsche Potenzialwachstum erhöhen. Sorge bereitet in diesem Zusammenhang, dass die Koalition zumindest teilweise Investitionen aus dem Kernhaushalt in die Sondervermögen verlagert, um hierdurch Finanzierungslücken zu schließen. Aus ökonomischer Sicht ist eine Ausweitung der Schulden jedoch nur dann sinnvoll, wenn die zusätzlichen Mittel in zusätzliche Investitionen fließen, um das Potenzialwachstum zu steigern. Einige kleinere Reformen der Regierung, wie der Investitionsbooster, der Bauturbo oder die geplante Senkung der Stromsteuer, gehen in die richtige Richtung. Der Rest des Rentenpakets sorgte jedoch nicht nur für Konfliktstoff in der Koalition, sondern auch für Unverständnis unter Ökonomen. Die Rente muss mit eingreifenden Reformen auf eine nachhaltige Basis gestellt und der Anstieg der Lohnnebenkosten begrenzt werden. Das würde nicht nur die Generationengerechtigkeit verbessern, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken.

Deutschland: Warten auf den Fiskalimpuls

Ifo Geschäftsklimaindex: Erwartungen stützen den Gesamtindex

Index (2015 = 100); Erwartungen: für die nächsten sechs Monate; saisonbereinigt. Monatsdaten.
Zeitraum: 01/2017–11/2025, Quelle: Ifo

KI-Boom in den USA kommt für Trump zur rechten Zeit

Die US-Wirtschaft zeigt sich, unterstützt durch den Boom im Bereich der Künstlichen Intelligenz, weiterhin von ihrer robusten Seite. Die großen US-Techfirmen werden in diesem Jahr voraussichtlich Investitionen in Höhe von etwa einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts tätigen. Ein erheblicher Teil davon wird in den Bereich der Künstlichen Intelligenz fließen.

Diese Konjunkturstütze kommt Präsident Trump sehr gelegen. Während er seinen entschlossenen Umbau des Landes fortsetzt, macht sich seine Politik nämlich zunehmend auch negativ in der Wirtschaft bemerkbar. Die Zoll- und Migrationspolitik bremst das Arbeitskräftewachstum aus und treibt die Inflation. Auch die zunehmende Aushöhlung der Institutionen durch die US-Regierung wird die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts USA mit der Zeit untergraben. Mittelfristig rechnen wir daher damit, dass das Trendwachstum auf 1,5 % sinken wird.

Fed mit wenig Zinssenkungsspielraum, EZB im Dämmermodus

Die negativen Auswirkungen von Trumps Wirtschaftspolitik machen sich bisher vor allem am Arbeitsmarkt bemerkbar. So ist die Arbeitslosenquote im September auf 4,4 % gestiegen. Für die Federal Reserve (Fed) ergibt sich dadurch eine schwierige Lage: Einerseits verlangt der sich abkühlende Arbeitsmarkt nach konjunkturstützenden Zinssenkungen, andererseits lassen die US-Zölle und die restriktive Migrationspolitik unter Trump die Inflation steigen, was eigentlich eine strikte Geldpolitik erforderlich machen würde. Hinzu kommt, dass die Haushaltssperre in den USA zwar nach 43 Tagen am 12. November zu Ende gegangen ist, die wirtschaftlichen Daten für den Oktober aufgrund des Shutdowns jedoch verspätet oder gar nicht veröffentlicht werden. Dies kommt zur Unzeit, da die Fed zur Feinjustierung der Geldpolitik aktuell ganz besonders auf ein präzises Lagebild angewiesen ist. Der Arbeitsmarkt scheint der US-Notenbank derzeit größere Sorgen zu bereiten als die Inflation. Der anhaltende Preisdruck lässt jedoch nur wenig Spielraum für Zinssenkungen. Bis zum Sommer 2026 rechnen wir mit einer Absenkung der Leitzinsspanne auf 3,25 bis 3,5 %. Im Gegensatz zu ihrem US-Pendant befindet sich die Europäische Zentralbank (EZB) in einer deutlich komfortableren Lage. Die Inflationsrate bewegt sich seit geraumer Zeit in der Nähe des Zweiprozentziels, während sich die Konjunktur in der Eurozone von ihrer robusten Seite zeigt und 2026 voraussichtlich noch weiter an Fahrt aufnehmen wird. Für die EZB gibt es daher derzeit keinen Grund, den Leitzins weiter abzusenken. Der nächste Zinsschritt könnte sogar eine Erhöhung sein. Es wird jedoch voraussichtlich bis Mitte 2027 dauern, bis eine erneut anziehende Inflation die EZB dazu veranlassen wird, den Leitzins wieder langsam in Richtung 3 % zu erhöhen.

Wachstums- und Inflationsprognosen

* Berenberg-Daten zu tatsächlichen Wechselkursen, nicht nach Kaufkraftparitäten (KKP). KKP messen den schnell wachsenden Schwellenländern mehr Gewicht bei.
** Durchschnitt, Bloomberg-Konsens per 11.12.2025.

Autor

Dr. Felix Schmidt
Leitender Volkswirt