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Mit quantitativen Ratingsystemen die Performance optimieren

Lesedauer:10 MIN

Unternehmensanleihen auf dem Vormarsch

Der europäische Markt für Unternehmensanleihen hat seit Beginn des Jahrtausends eine beachtliche Entwicklung durchlaufen. Die wachsende Anzahl an Emittenten und Anleihen führt dazu, dass Investoren heute ein deutlich größeres Universum abdecken müssen (siehe Abbildung 1). Der Trend sollte sich weiter fortsetzen, da auch immer mehr außereuropäische Emittenten oder kleinere Emittenten auf Euro lautende Unternehmensanleihen neu ausgeben.

Abb. 1: Die Anzahl der Euro-Investment-Grade-Emittenten hat sich seit der Jahrtausendwende mehr als vervierfacht

Anzahl der Emittenten von EUR Investment-Grade-Anleihen

Quelle: ICE, eigene Berechnungen
Zeitraum: 31.12.1999–30.04.2025

Somit ergeben sich für Investoren neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Ein quantitatives Ratingsystem basierend auf Unternehmenskennzahlen hilft hier bei der Meinungs- und Preisfindung. Quantitative Ratingsysteme sind somit ein ideales Instrument, um Emittenten schnell und objektiv zu beurteilen und dem gestiegenen Analyseaufwand gleichzeitig gerecht zu werden. Sie spielen somit eine zunehmend wichtige Rolle im Investmentprozess für Unternehmensanleihen, wie beispielsweise im Berenberg Euro IG Credit. Zusätzlich können sie zur Verbesserung der Performance beitragen.

Die Vorzüge maschinellen Lernens nutzen und Kritikpunkte berücksichtigen

Zur effizienten und effektiven Analyse von Emittenten nutzen wir ein proprietäres quantitatives Ratingsystem. Mit diesem können wir unser internes Rating mit externen Ratings der Ratingagenturen Moody’s, Fitch oder S&P vergleichen. Das Modell nutzt die Fundamentaldaten von Unternehmen und berechnet daraus ein implizites Rating. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass Unternehmen mit aktualisierten Finanzkennzahlen – beispielsweise nach der Veröffentlichung von Quartalszahlen – neu bewertet werden können und Veränderungen sich schneller bemerkbar machen. Diese Zeitpunktbetrachtung (point-in-time) unterscheidet sich von dem Ansatz der Ratingagenturen, die in der Regel eine Bonitätsbeurteilung über einen Konjunkturzyklus (through-the-cycle) hinweg vornehmen. Die Zeitpunktbetrachtung ermöglicht es, schneller auf finanzielle Veränderungen zu reagieren und somit Chancen zu nutzen oder Risiken zu reduzieren. Quantitative Ratingsysteme zielen darauf ab, das externe Rating der Ratingagenturen anhand der Fundamentaldaten des betrachteten Unternehmens vorherzusagen. Wir setzen ein statistisches Verfahren¹ ein, welches die Vorzüge des maschinellen Lernens nutzt. Es basiert auf der schrittweisen Korrektur der Fehler von Entscheidungsbäumen, mit dem Ziel die Abweichung zwischen den impliziten Ratings und den tatsächlichen Ratings sukzessive zu minimieren. Dabei kann es sowohl nicht-lineare Zusammenhänge als auch Interaktionen zwischen Variablen gut abbilden. Trotzdem bleibt das Modell gut interpretierbar und stellt keine Black Box dar.

Die sektorale Ausrichtung eröffnet Performancepotenziale

Für ein gut funktionierendes quantitatives Ratingsystem ist die Datengrundlage ein entscheidender Faktor. So sollten für eine trennscharfe Bonitätsbeurteilung nur ökonomisch relevante Kennzahlen berücksichtigt werden. Zusätzlich ist eine hinreichend große Datenbasis wichtig. Bei dem Training unseres Modells nutzen wir über fünfzig verschiedene Finanzkennzahlen von mehr als 2.400 Unternehmen über einen Zeit-raum von zehn Jahren. Da die einzelnen Sektoren unterschiedlichen Wirtschaftszyklen und Geschäftsmodellen unterliegen gliedern wir diese nach GICS²-Sektoren. Für jeden der elf GICS-Sektoren wird dann ein eigenes Ratingmodell entwickelt. Im Rahmen der Modellvalidierung verwenden wir jeweils einen Trainings- und einen Testdatensatz. Dies ermöglicht es uns die Genauigkeit des Modelles nochmals zu überprüfen und verhindert, dass das Modell nur auf einen Datensatz anwendbar ist, sondern auch auf neue Daten. Abschließend identifiziert das Modell die zwölf fundamentalen Kennzahlen, welche das Rating von Emittenten aus einem Sektor am besten hervorsagen. Im Mittel sollte das implizite Rating mit dem offiziellen Rating der Ratingagenturen übereinstimmen. Abweichungen von dem offiziellen Rating implizieren, dass das Unternehmen eigentlich besser (schlechter) bewertet sein sollte und somit am Anleihemarkt eine Neubewertung stattfinden könnte.

Das dies funktionieren kann, zeigt Abbildung 2. Die orangefarbene Linie repräsentiert die Wertentwicklung eines gleichgewichteten Portfolios von Anleihen, die in unserem quantitativen Rating besser abschneiden als in dem der Ratingagenturen. Die türkisfarbene Linie repräsentiert die Wertentwicklung eines gleichgewichteten Portfolios von Anleihen, die in unserem Verfahren ein schlechteres Rating erhalten. Die Portfolios werden monatlich neu gewichtet, wobei die Ratings und Schattenratings (impliziten Ratings) auf Jahresabschlusszahlen basieren.

Abb. 2: Quantitative Ratingsysteme können zur Verbesserung der Performance beitragen

Performancevergleich zwischen zwei Portfolien aus unserem Schattenrating

Quelle: ICE, Bloomberg, eigene Berechnungen
Zeitraum: 31.03.2015–31.03.2025

Das besser bewertete Portfolio erzielte über den Betrachtungszeitraum vom 31.03.2015 bis zum 31.03.2025 eine Überrendite (Excess Return) von 5,08 %. Diese Überrendite schließt den Zinsänderungseffekt durch unterschiedliche Laufzeiten der Anleihen aus, sodass dies nur den Beitrag der Kreditrisikokomponente darstellt. Die beiden Portfolios unterscheiden sich per Konstruktion leicht in der Ratingstruktur: Das Portfolio mit dem besseren internen Rating ist im Durchschnitt von den Ratingagenturen mit BBB+ geratet, jenes mit dem schlechteren internen Rating ist im Durchschnitt extern mit A geratet. In unserem internen Rating ist das Durchschnittsrating der beiden Portfolios jedoch mit A- identisch. Ziel des quantitativen Ansatzes ist es diese Bewertungsdivergenz auszunutzen. Auch unter Risikogesichtspunkten schneidet das Portfolio mit besser bewerteten Anleihen vorteilhaft ab: Mit einem maximalen Rückschlag (Drawdown) von 9,6% ist es besser als das Vergleichsportfolio, welches einen Drawdown von 12,1% verzeichnet. Die historische Rückrechnung zeigt, dass unser quantitatives Ratingmodell zur Generierung systematischer Überrenditen beitragen und somit einen wertvollen Baustein in der Portfoliokonstruktion darstellen kann.

Fazit

Quantitative Rating-Systeme ermöglichen es also, auch bei sich laufend verändernden Rahmenbedingungen – sei es durch eine stetig wachsende Anzahl an Unternehmen, dynamische Neuemissionsmärkte oder veränderte Fundamentaldaten einzelner Unternehmen – schnell zu agieren. Sie zeigen Abweichungen zwischen der externen Bewertung der Ratingagenturen auf, deren Ansatz sich in der Fristigkeit (Through the Cycle vs. Point in Time) unterscheidet und können somit zur systematischen Verbesserung der Performance beitragen. In den Berenberg Fixed Income Fonds und Mandaten und insbesondere im Berenberg Euro IG Credit mit seinem Fokus auf Investment-Grade-Anleihen setzen wir das zuvor beschriebene Verfahren ein, um die Kreditqualität einzelner Emittenten oder Investmentuniversen objektiv und standardisiert zu analysieren. Dies ermöglicht es uns fundamental schwach aufgestellte Unternehmen zu meiden, Opportunitäten zu identifizieren und somit die Performance des Berenberg Euro IG Credit zu optimieren.

Autoren

Dr. André Meyer-Wehmann
Portfolio Manager Fixed Income Euro
Felix Stern
Leiter Fixed Income Euro Ausgewogen