Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das zweite Quartal brachte an den Märkten viel Hin und Her, aber kaum echte Fortschritte. Trumps „Liberation Day“ am 2. April war kein Befreiungsschlag, sondern ein Paukenschlag. Die angekündigten Zölle lösten die schnellste und stärkste Korrektur der Aktienkurse seit der Corona-Krise aus. Die Verunsicherung war so groß, dass Trump diese Zölle nur wenige Tage später für 90 Tage aussetzte. Die amerikanischen Sparanstrengungen (DOGE) verfehlen die hochgesteckten Ziele und dürften im Sande verlaufen. Die geplanten Steuersenkungen dürften stattdessen das Haushaltsdefizit ausweiten. Die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen stiegen, der US-Dollar schwächte sich weiter ab, und die Wachstumserwartungen wurden reduziert. Dies drückte zusammen mit Fördererhöhungen durch die OPEC den Ölpreis bis der Israel-Iran-Konflikt diesem neuen Rückenwind gab. Mit der Pause im Zollstreit erholten sich die Aktienmärkte und setzen auf Handelsabkommen. Sie stehen nun unweit der Niveaus vom Quartalsbeginn. Gold ist und bleibt der Hauptgewinner dieses Umfelds.
Die Unsicherheit dürfte auch im dritten Quartal deutlich erhöht bleiben. Solange die Märkte nicht stark negativ reagieren, wird Trump wohl weiterhin versuchen, durch Drohungen die Position der USA in den Zollverhandlungen zu verbessern. Erst mit dem Abschluss von Handelsabkommen dürfte mehr Klarheit entstehen. Die Auswirkungen des Zollstreits auf die Konjunktur und die Unternehmen werden sich im dritten Quartal mehr und mehr zeigen, allerdings werden die Daten aufgrund von Verzerrungen rund um die Zölle kein klares Bild abgeben. Seit der Erholung ab Mitte Mai setzen die Aktienmärkte bereits auf eine Beruhigung im Zollstreit. Die Bewertung von Aktien, besonders in den USA, ist unverändert hoch, während die Gewinnwachstumserwartungen für 2025 rückläufig sind. Und die Unterstützung durch niedrigere Energiepreise ist vorerst wieder dahin. Aus unserer Sicht wäre es jedoch falsch, zu pessimistisch gegenüber Aktien zu werden. Es gibt viele unterstützende Faktoren: fiskalische Anreize in Deutschland, Steuersenkungen in den USA, die globale Lockerung der Geldpolitik des letzten Jahres, ein Produktivitätsschub durch künstliche Intelligenz und erhöhte staatliche Ausgaben im Vorfeld der Zwischenwahlen und des 250-jährigen Jubiläums der USA. Zudem könnten auch noch positive Impulse von Deregulierungsbemühungen in den USA und vielleicht sogar in Europa ausgehen. Weniger wahrscheinlich, aber dennoch unterstützend, wären Konjunkturprogramme in China und Japan sowie der Abbau von Zöllen. Zudem ist die Anlegerstimmung und deren Positionierung, insbesondere von systematischen Strategien, nicht optimistisch. Wir halten daher an unserer Prognose fest, dass dieses Jahr ein Bullenjahr wird, wenn auch ein zähes. Stärkere Rückschläge dürften Kaufgelegenheiten bieten. Wir bleiben skeptisch bei (US-)Staatsanleihen und bevorzugen stattdessen Sachwerte wie Aktien, Edel- oder Industriemetalle.
Im Insights-Interview erörtert Tobias Schäfer, Leiter Fondsstrategien und Managerselektion, welche Trends die Fondslandschaft derzeit bestimmen, worauf es bei der Fondsauswahl ankommt und was unsere jüngst gestartete fondsbasierte Vermögensverwaltungsstrategie „Berenberg Go“ auszeichnet.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.
Prof. Dr. Bernd Meyer
Chefanlagestratege Wealth and Asset Management
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Prof. Dr. Bernd Meyer
Prof. Dr. Bernd Meyer ist seit Oktober 2017 Chefanlagestratege bei Berenberg und dort im Wealth and Asset Management für die diskretionären Multi-Asset-Strategien sowie die Vermögensverwaltungsmandate zuständig. Prof. Dr. Bernd Meyer war zunächst Leiter der Europäischen Aktienstrategie bei der Deutschen Bank in Frankfurt und London und baute ab 2010 als Bereichsleiter das globale Cross Asset Strategy Research bei der Commerzbank auf. Prof. Dr. Meyer wurde mehrfach ausgezeichnet. So rangierte er mit seinem Team beim renommierten Extel Survey in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils unter den besten drei Multi Asset Research Teams weltweit. Prof. Dr. Meyer ist DVFA Investment Analyst, CFA-Charterholder und Gastdozent für „Empirische Kapitalmarktforschung“ an der Universität Trier. Er hat zahlreiche Artikel und zwei Bücher veröffentlicht sowie drei wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.