- Megatrends bzw. strukturelle Wachstumstrends sind ein zentraler Bestandteil unseres Bottom-up-Investmentansatzes und für uns eine wesentliche Voraussetzung, um langfristig gute Performance am Aktienmarkt erzielen zu können.
- Da sich zentrale Megatrends in den vergangenen Jahren gewandelt haben, nehmen wir eine Anpassung unseres Frameworks vor.
- Künstliche Intelligenz wird ein eigener Subtrend innerhalb von Techceleration.
- Wir tragen der Neuordnung der globalen Industrielandschaft Rechnung und ändern ”Green Revolution“ in ”Industrial Revolution”. Regierungspolitik & Geopolitik, Zukunft der Energie & knappe Ressourcen sowie Automatisierung & Robotik werden neue Subtrends.
Megatrends bzw. strukturelle Wachstumstrends sind eine wichtige Komponente unseres Bottom-up-Investmentansatzes. Wir glauben, dass ein gutes Verständnis struktureller Entwicklungen in den zugrundeliegenden Endmärkten für unsere Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil ist, um eine langfristige gute Performance zu erzielen. Sich entwickelnde Profitpools verschaffen einigen Unternehmen einen kontinuierlichen Wachstumsrückenwind, während andere einen ständigen Gegenwind erfahren. Als Quality-Growth-Investoren wollen wir in Unternehmen investieren, die von strukturellem Wachstum profitieren, und diejenigen meiden, die mit einem Wachstumsrückgang zu kämpfen haben.
Die relevanten Megatrends hatten wir in unserem Paper „Berenberg Insights - Megatrends in unseren Portfolios – eine Schlüsselkomponente strukturellen Wachstums im Fokus“ im Mai 2021 genauer beleuchtet. Das Besondere an Megatrends ist, dass sie für längere Zeiträume von 5-10 Jahren, manchmal sogar länger, Bestand haben können. Jedoch sind die Trends keinesfalls statisch, weshalb wir in dieser Ausgabe eine Anpassung der Megatrends beschreiben wollen. In folgenden Bereichen sehen wir die größten Veränderungen:
Megatrends führen zu hohem und nachhaltigem Wachstum
Techceleration – Künstliche Intelligenz
Techceleration ist für unsere Portfolios seit jeher ein wichtiger Megatrend, der sich in einigen Sektoren widerspiegelt. Innerhalb der Unterkategorie „Technologische Durchbrüche“ war in den letzten Jahren kein Trend relevanter als der von Künstlicher Intelligenz (KI). Wir bilden deshalb mit „Künstliche Intelligenz“ eine eigene Kategorie innerhalb von Techceleration.
Wie in einigen unserer letzten Publikationen beschrieben, sind wir bereits seit vielen Jahren in KI-Unternehmen investiert.¹ Unser Investment bezieht sich dabei auf alle Wertschöpfungsebenen, die wir mit Blick auf KI sehen. Diese umfassen:
- Neue Hardware-Architekturen und Nachfrage nach Hochleistungschips
- Investitionen in Halbleiterfertigung
- Wachstum von Cloud Infrastruktur
- Entwicklung KI-gestützter Software und KI-Agenten
Abbildung 1: Wertschöpfungsebenen bei Künstlicher Intelligenz (KI)
Neue Hardwareentwicklung und Nachfrage nach Hochleistungschips
Seit den Anfängen der Halbleiterindustrie nimmt die Leistungsfähigkeit von Prozessoren durch immer kleinere Transistoren (sog. Moore’s Law) und spezialisierte Architekturen zu. Seit den 2010er Jahren kommen verstärkt spezialisierte Prozessoren (sog. „Graphics Processing Units“, GPUs) zum Einsatz, welche gezielt für parallele Rechenleistungen mit hohem Leistungsumfang optimiert sind. NVIDIA nimmt in diesem Zusammenhang eine führende Rolle ein. Die neueste „Hopper“- und „Blackwell“ Architektur des Unternehmens hat über die letzten Jahre neue Maßstäbe bei Leistungsdimensionen gesetzt und KI-Training sowie die umfangreiche Entwicklung von Sprachmodellen überhaupt erst möglich gemacht.
Im Vergleich zu einfachen Chatbots erfordern moderne „Reasoning“-KI Systeme oft ein Hundert- bis Tausendfaches an Rechenleistung. Letztere wurde in der Vergangenheit primär von großen Cloud-Anbietern bereitgestellt.² Über die letzten 24 Monate sind zusätzlich neue Akteure auf den Plan getreten. Hierunter fallen groß angelegte Infrastrukturprojekte wie „Stargate“ oder Elon Musks „Colossus“ sowie diverse staatliche Programme in Europa und Asien, die den globalen Ausbau von Rechenkapazität vorantreiben.³ Alle führenden Cloud-Anbieter arbeiten zudem an eigenen spezialisierten Prozessoren (sog. „Custom Silicon“), die passgenau auf ihre Anwendungsfälle zugeschnitten sind und zusammen mit dem Co-Design Partner Broadcom entwickelt werden. Wie Abbildung 02 verdeutlicht, steht die Nachfrage nach Hochleistungs-Chips durch die oben beschriebenen Entwicklungen auf immer breiteren Beinen und ist nicht mehr nur durch die führenden Cloud-Anbieter bestimmt.
Abbildung 2: Das Wachstum bei KI-Investitionen ist zunehmend durch neue Akteure getrieben - in Mrd. USD
Investitionen in Halbleiterfertigung
Die Herstellung von Hochleistungschips ist ein komplexer Prozess, der sich auf eine kleine Anzahl spezialisierter Produktions- und Equipment-Anbieter konzentriert. TSMC hat sich bei der Herstellung von High-End-KI-Chips eine de facto monopolartige Stellung herausgearbeitet und profitiert von Verzögerungen bei Intel, wo sich der Einstieg in die Fertigung von KI-Chips bis mindestens 2027/28 hinauszögern sollte.
TSMCs neuer 2-nm-Technologieknoten (N2) soll Ende dieses Jahres in die Serienfertigung gehen. Eine hohe Auslastung dürfte die Investitionsbereitschaft der Halbleiterausrüster ASML, ASM International (ASMI) und BE Semiconductor Industries (Besi) zusätzlich befeuern; alle drei verfügen in ihren Segmenten über dominierende Marktstellungen. ASML hält das Monopol in der Lithografie. Der Wechsel auf N2 erfordert zusätzliche Extrem-Ultraviolet-(EUV-) Anlagen der neuesten Generation. ASMI ist führend bei Atomic-Layer-Deposition-(ALD-) Systemen. ALD ist Schlüsseltechnologie für die Gate-All-Around-(GAA-)Transistorarchitektur, die niedrigeren Stromverbrauch, höhere Leistung und geringere Wärmeentwicklung ermöglicht. Besi dominiert den Markt für Hybrid-Bonding-Anlagen. Diese Technik verbindet unterschiedliche Chip-Bauteile in dreidimensionalen Stapeln, was bei immer größeren und komplexeren KI-Chips Leistungs-, Effizienz- und Kostenvorteile schafft.
In Summe dürften die eng miteinander verknüpften Technologiesprünge bei TSMC und die Ausrüster-Oligopole von ASML, ASMI und Besi einander bis mindestens 2027/28 gegenseitig verstärken.
Wachstum bei Cloud Infrastruktur
Die Rechenleistung für KI-Anwendungen findet zum großen Teil in der Cloud statt. Gründe hierfür sind eine schnellere Skalierbarkeit, niedrigere Vorab-Aufwendungen, ein leichterer Zugang zu Hochleistungschips sowie eine Vielzahl von bereitgestellten Developer Tools durch die Cloud-Anbieter. Die meisten KI-Anwendungen bauen zudem auf den führenden Sprachmodellen (LLMs) auf, die mittels Browser und Schnittstellen (APIs) abgerufen werden können. Laut Gartner werden bis 2026 über 80% der Unternehmen GenAI-APIs/-Modelle nutzen oder GenAI-Apps produktiv betreiben. Basierend auf diesen Schätzungen sollte sich der der Anteil von Unternehmen, welche GenAI-Applikationen nutzen, über einen Zeitraum von nur drei Jahren mehr als verfünfzehnfachen.⁴
Zusätzliche Cloud-Wachstumstreiber sind KI-Anwendungen für Konsumenten, beispielsweise in Form von KI-Chatbots wie ChatGPT, Claude und Gemini. Zusammengefasst, könnten führende Cloud-Anbieter wie Microsoft Azure, Amazon AWS und Alphabet Google Cloud aber auch Software-Infrastrukturanbieter wie Datadog von den zuvor genannten Wachstumstrends nach KI-Rechenleistung profitieren.
Abbildung 3: Anstieg an US-Unternehmen mit kostenpflichtigem Abo für KI-Modelle inkl. Plattformen und Tools - OpenAI ist der Hauptprofiteur
Entwicklung KI-gestützter Software und Adoption von KI-Agenten
Für Softwareunternehmen ist KI eine Chance und ein Risiko zugleich, da es die Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber senkt. Wir bevorzugen jene Software-Firmen, die auf der Welle der Nachfrage an Rechenleistung der Infrastrukturanbieter reiten. Zudem möchten wir ein einzigartiges Datenset, eine starke Distributionsmacht und idealerweise eine starke Position in industriespezifischen Anwendungsbereichen sehen. Bei KI-gestützten Workflow- und Produktivitätslösungen sehen wir ServiceNow und Pegasystems als stark positioniert. SAP besitzt im Daten-Layer großer Unternehmen eine ausgesprochen starke Position und rechnet mit einem beschleunigten Wachstum, weil Firmen im KI-Zeitalter ihre ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme) verstärkt in die Cloud migrieren müssen.
KI-Agenten stellen die nächste Evolutionsstufe klassischer Chatbots dar: Sie leiten Ziele selbstständig ab, erstellen mehrstufige Pläne und führen Aktionen in externen Tools aus; von Code-Ausführung über API-Aufrufe bis hin zu Robotic-Process-Automation. Offene Frameworks (z.B. AutoGPT, LangChain) und tief integrierte Produkt-Features (Microsoft Copilot, Salesforce Agentforce, ServiceNow AI Agent) veranschaulichen die Bandbreite der Lösungen.
Die erste messbare Umsatzchance liegt im Coding-Segment: Weltweit gibt es rund 40 Mio. Softwareentwickler. Der Markt für Entwickler- und Produktivitäts-Software beläuft sich 2025 bereits auf über USD 90 Mrd. und wächst zweistellig.⁵ Code-Agenten erwirtschaften hiervon inzwischen einen signifikanten Teil. Bei den großen Tech-Konzernen stammen heute bereits grob ein Viertel bis ein Drittel des neu geschriebenen Codes von KI-gestützten Code-Agenten.⁶
Code-Agenten sind jedoch erst der Anfang: Agentische Systeme versprechen komplette End-to-End-Prozesse in Unternehmen zu automatisieren, Kosten drastisch zu senken und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen – etwa automatisierte Kundenservice-Workflows oder Supply-Chain-Optimierungen. Wir denken, dass der Nutzen und das Marktpotential langfristig unterschätzt wird. Unternehmen wie ServiceNow, Pegasystems und Microsoft sind in den genannten Bereichen gut positioniert.
Industrielle Revolution
Wir sehen eine Neuordnung der globalen Industrielandschaft und haben deshalb den Megatrend „Green Revolution“ in „Industrielle Revolution“ umbenannt. Die wesentlichen Impulse liegen weiterhin in Nachhaltigkeits- und Umweltaspekten, doch betrachten wir die Neugestaltung der globalen Wertschöpfungsketten als den entscheidenden Treiber.
Die geopolitische Fragmentierung, technologische Innovationen und das Streben nach Resilienz in den Lieferketten führen zu einer neuen Phase industrieller Wertschöpfung. Kapitalflüsse werden zunehmend in strategische Sektoren wie erneuerbare Energien, Halbleiter, Automatisierung, Rüstung und Infrastruktur umgeleitet. Für institutionelle Investoren eröffnet sich damit ein strukturelles Wachstumsfeld, das nicht nur Chancen auf attraktive Renditen bietet, sondern auch zur langfristigen Stabilität von Portfolios beitragen könnten.
Wir sehen folgende Subtreiber der Industriellen Revolution:
1. Regierungspolitik & Geopolitik
- Fiskalpolitik und staatliche Investitionen (Infrastruktur, Verteidigung)
- Industriepolitik: Nearshoring / Reshoring (Lieferketten, strategische Autonomie)
2. Zukunft der Energie & knappe Ressourcen
- Globaler Energiebedarf & Wandel der Energienachfrage (EV, Batterien, Stromnetze, Speichertechnologien)
- Wandel im Energiemix (Gas, Solar, Wind, Nuklear)
- Knappheit kritischer Ressourcen (Edelmetalle, Wasser, Abfallwirtschaft)
3. Automatisierung & Robotik
- Industrieautomation & Digitale Fabriken (Smart Manufacturing, Prozessoptimierung)
- Robotik (Logistik, industrielle Fertigung)
Regierungspolitik und Geopolitik
Industriepolitik: Nearshoring / Reshoring
Hätten wir vor mehr als 25 Jahren eine Analyse zu Megatrends verfasst, hätte die Globalisierung mit der zunehmenden Arbeitsteilung in industriellen Lieferketten eine zentrale Rolle gespielt. Sie verlagerte die Produktion von Vorprodukten und Industriegütern in die Schwellenländer, um Kosten zu senken, während sich die entwickelten Volkswirtschaften auf höherwertige Prozesse und Dienstleistungen konzentrierten. Aufgrund der niedrigen Lohnkosten wurde Südostasien zur „Werkbank“ der westlichen Welt.⁷
In der Folge gingen die Industrieinvestitionen in den westlichen Ländern zurück. In den USA stiegen die Investitionen in das verarbeitende Gewerbe zwischen 1952 und 2000, dem Jahr, in dem China der WTO beitrat, im Schnitt um knapp 3,8% pro Jahr; seit 2000 beträgt das jährliche Wachstum nur noch rund 0,7% pro Jahr.⁸
Parallel dazu gingen in den USA in den vergangenen knapp 40 Jahren mehr als sieben Millionen Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verloren, während die Bevölkerung im selben Zeitraum um fast 100 Millionen auf über 320 Millionen Menschen wuchs.⁹ ¹⁰
Abbildung 4: Verarbeitendes Gewerbe (MANEP) in den USA, Tausende Personen, monatlich, saisonbereinigt
Ein weiterer langfristiger Effekt ist eine schleichende Abhängigkeit von bestimmten Gütern. Grundsätzlich ist das nur dann unproblematisch, wenn sie auch aus anderen Weltregionen bezogen werden können. In den vergangenen Jahren ist jedoch deutlich geworden, dass die USA bei Schlüsseltechnologien zunehmend von Asien – insbesondere von China – abhängig sind. Laut MERICS importieren die USA über 90 % ihrer Magnete aus China – ein zentrales Bauteil für Batterien und E-Antriebe. Mehr als 92% des weltweit produzierten graphitbasierten Anodenmaterials für Batterien stammen aus China. Bei seltenen Erden sind die USA derzeit zu rund 70–80% von China abhängig; bei einzelnen Elementen sogar vollständig.¹¹ Diese Rohstoffe sind für Energieversorgung, Elektronik und Verteidigung unverzichtbar. Ähnliche Konzentrationsrisiken bestehen bei der Chipproduktion in Taiwan sowie bei pharmazeutischen Produkten – insbesondere Generika – aus Indien.
Diese kritischen Abhängigkeiten, sichtbar am Beispiel der USA, und die Jobverluste der „American Manufacturing Jobs“ sind ein wesentlicher Grund für die Neuausrichtung der US-Politik hin zum sogenannten „Reshoring“ von Produktionskapazitäten. Donald Trump formulierte es so: „Ihr seht diese leeren, alten, wunderschönen Stahlwerke und Fabriken, die leer stehen und verfallen. Wir werden die Unternehmen zurückholen. Wir werden die Steuern für Unternehmen senken, die ihre Produkte in den USA herstellen. Und wir werden diese Unternehmen mit starken Zöllen schützen.¹²
Seit Antritt seiner zweiten Amtszeit hat Trump dieses Versprechen zügig umgesetzt und Zölle zu einem der Kernpfeiler seiner Handelspolitik gemacht, um Investitionen in den USA anzukurbeln. Seit Jahresbeginn sind die durchschnittlichen US-Importzölle deutlich von rund 2,5 % auf aktuell etwa 18 % gestiegen.
Im Zuge dieser Zollverhandlungen konnten zudem strategische Investitions- und Handelszusagen vereinbart werden – besonders umfangreich mit der EU und Japan.
 
Ursprung der Zusage¹³ | Investitionsbetrag (USD) |
---|---|
EU (Investitionen) | 600 Mrd. USD |
EU (Energieeinkäufe) | 750 Mrd. USD |
Japan | 550 Mrd. USD |
Globaler Zusagebereich | ca. 1,9 Tsd. Mrd. USD |
US-Regierungsangabe (identifiziert) | ca. 2,8 Tsd. Mrd. USD |
Quelle: The White House paper “TRUMP EFFECT: A running list of new U.S. investment in President Trump’s second term”, 15.8.2025.
Zusätzlich haben einzelne Unternehmen seit Trumps Amtsantritt Investitionen in den USA zugesagt, die sich auf rund 1,9 Billionen USD belaufen.¹⁴ Dazu zählen prominente Namen wie SoftBank, TSMC, Apple, Hyundai und viele weitere. Laut Angaben der Trump-Regierung summierten sich die identifizierten Investitionspläne seit Amtsantritt auf etwa 2,8 Billionen USD; das „potenzielle“ Gesamtvolumen von Unternehmen, die in die USA zurückkehren könnten, wurde mit bis zu 4 Billionen USD beziffert.¹⁵
Darüber hinaus hat die US-Regierung im Rahmen der One Big Beautiful Bill (OBBB) die Abschreibungsmöglichkeiten deutlich verbessert. Die Wiedereinführung der 100 %-ige Sofortabschreibung für qualifizierte Investitionen (u. a. Maschinen, Anlagen, Ausstattung) erhöht die Attraktivität, Industriekapazitäten auszubauen, spürbar: Ein typisches Projekt mit einer Rendite von 8,9 % bei linearer Abschreibung käme durch die Sofortabschreibung auf 13,1 % – ein Plus von 420 Basispunkten bzw. rund 50 % laut unseren Berechnungen. Für die Realwirtschaft heißt das: Der Industriebau könnte rund 50 Mrd. USD an zusätzlichen Investitionen auslösen (+20 % gegenüber 2024); der Nichtwohnungsbau weitere ca. 35 Mrd. USD. Unternehmen mit hohem Exposure zu diesen Investitionszyklen in den USA könnten profitieren – etwa der deutsche Industriekonzern Siemens oder der Automatisierungsspezialist Lincoln Electric.
Fiskalpolitik und staatliche Investitionen
In Europa ist eine strukturelle Neuausrichtung der staatlichen Investitionen zu beobachten – mit einem stärkeren Fokus auf Infrastruktur und Verteidigung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs. Besonders deutlich zeigt sich dieser Wandel in Deutschland. Die „Zeitenwende“ hat hierzulande – und potenziell auch in anderen europäischen Ländern – ein Umdenken ausgelöst: Sollten die Verteidigungsausgaben in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf 3 bis 3,5 % des BIP steigen, entspräche das laut unseren Berechnungen zusätzlichen Ausgaben von bis zu 985 Mrd. EUR.
Das deutsche Infrastrukturpaket sieht ein Sondervermögen von 500 Mrd. EUR über zwölf Jahre vor: 100 Mrd. EUR für Länder und Kommunen, 100 Mrd. EUR für den Klima- und Transformationsfonds sowie 300 Mrd. EUR für den Bund. Ziel ist es, den Investitionsstau abzubauen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Modernisierung des Landes voranzutreiben. Schwerpunkte sind der Ausbau von Straßen, Brücken, Schienen und Wasserwegen sowie Investitionen in Digitalisierung, Bildung, Gesundheit und Forschung.¹⁶ Über die Laufzeit entspricht dies in etwa 3–3,5 % des deutschen BIP pro Jahr. Damit soll nicht nur die Infrastruktur erneuert, sondern auch die Basis für mehr Wachstum, Klimaneutralität und langfristige Stabilität gelegt werden.
Von steigenden Infrastrukturausgaben dürfte Knorr-Bremse
als Marktführer für Bremssysteme in der Schienen- und Nutzfahrzeugindustrie langfristig profitieren. Ein weiterer zentraler Baustein ist die Modernisierung der IT-Infrastruktur der öffentlichen Hand, wovon Unternehmen wie Bechtle
als IT-Ausrüster und Secunet als Spezialist für Cybersicherheit – etwa für die Bundeswehr – profitieren könnten.
Zukunft der Energie und knappe Ressourcen
Die globale Energielandschaft erlebt einen fundamentalen Umbruch. Wachstumstreiber wie Künstliche Intelligenz, Elektromobilität und Digitalisierung sorgen für einen sprunghaften Anstieg der Energienachfrage – und stellen die bestehende Infrastruktur vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig forciert der geopolitische und regulatorische Druck einen tiefgreifenden Wandel im Energiemix. Neben Stromnetzmodernisierung, Speicherlösungen und dem Ausbau erneuerbarer Energien gewinnen auch Nukleartechnologien wieder an Bedeutung. Parallel dazu rückt die Verfügbarkeit kritischer Ressourcen wie Wasser, seltener Erden und Metalle in den Fokus – als Engpassfaktor und Investitionschance zugleich. Unternehmen, die Lösungen zur Effizienzsteigerung, Wiederverwertung oder Infrastrukturmodernisierung anbieten, profitieren dabei von einem strukturellen Rückenwind.
Globaler Energiebedarf & Wandel der Energienachfrage
Die weltweite Nachfrage nach Elektrizität erfährt einen drastischen Aufschwung durch neue strukturelle Treiber. Jahrzehntelang stagnierte der Stromverbrauch in entwickelten Ländern weitgehend, da Effizienzgewinne den steigenden Bedarf kompensierten. Nun sorgt vor allem die digitale Revolution für eine Trendwende. Leistungsstarke KI–Rechenzentren gelten seit 2023 als der größte Katalysator für einen beschleunigten Lastenanstieg und stellen dabei weitere Treiber wie Elektroautos und Krypto-Mining in den Schatten. Shehabi et al. schätzen den Anteil von Rechenzentren am Gesamtstrombedarf in den USA auf 12% bis 2028.¹⁷ Modernste Rechenzentren haben häufig einen Strombedarf jenseits der 100 MW, was bereits in vielen Regionen zu Engpässen führt. In den USA und Europa müssen Betreiber von Rechenzentren aktuell teilweise mehr als vier Jahre auf den Netzanschluss warten, da die Stromnetze mit dem rasanten Zubau kaum Schritt halten können. Nachdem die Stromproduktion in den USA von 2000 bis 2020 nur mit 0,3% pro Jahr und damit insgesamt um circa 208 Milliarden KwH gewachsen ist, wird für 2024 – 2027 bereits ein Anstieg von 1,9% pro Jahr erwartet, was circa 250 Milliarden KwH an Mehrbedarf und der Leistung von etwa 20 mittleren Atomkraftwerken entspricht.¹⁸
Abbildung 5: Stromerzeugung in den USA (Mrd. KwH)
Diese Erhöhung klingt auf den ersten Blick nicht erheblich, jedoch sind laut IEA (International Energie Agency) fast 80 % der Netzwerke deutlich über 20 Jahre alt und die Erweiterung muss im gleichen Atemzug mit einer Erneuerung vollzogen werden.¹⁹ Zusätzlich sind Speicherlösungen von Seiten der Versorger nötig, welche ihre Kapitalinvestitionen nun um jährlich 12 % steigern müssen und damit doppelt so schnell, wie in der letzten Dekade.²⁰ Unternehmen wie Quanta Services könnten als Dienstleister im Bereich der Netzinfrastruktur von diesem Trend profitieren.
Wandel im Energiemix
Während die Nachfrage nach Strom nahezu explodiert, befindet sich auch die Angebotsseite in einem fundamentalen Wandel. Neben dem steigenden Bedarf, spielen auch Themen wie Geopolitik (Energiesouveränität) und Klimaziele eine Rolle. Dies macht einen Ausbau der Kapazitäten über diverse Energieträger notwendig. Investitionen in Nuklearenergie werden auch von den amerikanischen Cloud Anbietern selbst getätigt und mit einer kommerziellen Nutzung von Small Modular Reactors (SMRs) ist bereits innerhalb der nächsten Dekade zu rechnen.²¹ Abseits davon konzentriert sich der Ausbau in der westlichen Welt vor allem auf die erneuerbaren Energien mit Wind- und Solarkraft und auf Gaskraftwerke. Die Kapazitäten für den Bau von letzteren sind bereits für einige Jahre ausgebucht, weshalb vor allem kombinierte Lösungen aus Solarkraftwerken, Batteriespeichern und modularen Gaskraftwerken als Backup immer attraktiver sind. Auf Unternehmen wie Sprott und Flowserve könnte die Renaissance von Nuklearenergie eine positive Auswirkung haben.
First Solar ist aufgrund seiner tiefen Wertschöpfungskette in den USA gut positioniert, um von einem potenziellen Boom bei kommerziellen Solaranlagen zu profitieren und auch Primoris Services ist als Spezialdienstleister für (Energie-) Infrastruktur in betroffenen Nischen aktiv. Denn aufgrund des knappen Zugangs zu Energie, sind besonders Solaranlagen in den Fokus geraten. Die ersten Elektronen fließen häufig schon in 2-3 Jahren, während Gaskraftwerke schnell 5-7 Jahren benötigen und klassische Atomkraftwerke erst nach einer Dekade Strom produzieren. Die langen Wartezeiten bei Gasturbinen ergeben sich aus der hohen Nachfrage und den aktuell limitierten Kapazitäten von Unternehmen wie GE Vernova und Siemens Energy. Grenergy ist einer der führenden Anbieter von Energiespeicherlösungen, welcher aktuell von der Stromknappheit profitiert.
Knappheit kritischer Ressourcen
Die beschleunigte Energiewende und Digitalisierung bringen einen gewaltigen Verbrauch von Rohstoffen mit sich. Kritische Ressourcen – von Wasser über Spezialmetalle bis hin zu seltenen Erden – sind damit ebenfalls Kern der strategischen Bemühungen und eröffnen Firmen, die sich auf Lösungen für höhere Effizienz, Substitution oder Recycling spezialisieren attraktive Chancen.
Wasser wird weltweit zu einer immer knapperen Ressource und bereits 2030 könnte die globale Nachfrage nach Süßwasser das Angebot um 40 % übersteigen.²² Die traditionellen Treiber Urbanisierung, Klimawandel und Industrialisierung werden nun um den KI-Sektor ergänzt. Dieser wird global bis 2027 4-6 Mal so viel Wasser verbrauchen wie ganz Dänemark.²³ Gleichzeitig sieht sich die relevante Infrastruktur einem jahrzehntelangen Investitionsstau ausgesetzt. Marode Rohrsysteme sorgen etwa in den USA für einen Verlust von 20 % des Wassers beim Transport in die Haushalte.²⁴ Xylem liefert diverse Lösungen, um die Infrastruktur besser zu überwachen, Anlagen effizienter zu betreiben und den Wasserverlust zu reduzieren.
Begrenzte Ressourcen erhöhen den Druck auf die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft und auch ehrgeizige ESG und CO2 Ziele auf Staaten- und Unternehmensebene, verstärken den Trend zum Recycling. Die Menge an Elektroschrott, Altbatterien und Industriemüll wächst derweil mit dem Boom neuer Technologien. GFL Environmental und Waste Connections zählen zu den größten integrierten Entsorgungsfirmen Nordamerikas, decken die gesamte Wertschöpfungskette der Abfallwirtschaft ab und können somit integrale Lösungen für die Kreislaufwirtschaft anbieten. Sie schaffen es, wertvolle Materialien zurückzugewinnen und so den Primärbedarf zu reduzieren. Außerdem investieren sie in die Gewinnung von Biogas aus Abfällen, dessen Einspeisung als Treibstoff für zusätzliche Einnahmen sorgt.
Automatisierung und Robotik
Automatisierung und Robotik verändern Produktionsprozesse weltweit und steigern Effizienz sowie Produktivität. Getrieben durch Fachkräftemangel, steigende Lohnkosten und technologische Fortschritte wächst die Nachfrage rasant. Roboter finden Anwendung in Industrie, Logistik, Gesundheitswesen und zunehmend auch im Konsumsektor. Künstliche Intelligenz und Sensorik ermöglichen flexible, autonome Systeme mit hohem Wertschöpfungspotenzial. Für Investoren eröffnen sich Chancen in Robotik-Herstellern, Zulieferketten und Softwarelösungen.
Industrieautomation & Digitale Fabriken
Siemens ist ein global führender Anbieter in der Industrieautomation und treibt mit seiner Sparte Digital Industries die Entwicklung von Smart Factories voran. Mit Hard- und Softwarelösungen, von Automatisierungssteuerungen über industrielle Sensorik bis hin zu Digital-Twin-Technologien, ermöglicht Siemens die durchgängige Integration von Produktionsprozessen.
Vernetzung von Maschinen und Anlagen ist ein wichtiger Bereich. HMS-Networks fokussiert sich auf Industrielle Kommunikation und ermöglicht die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Robotik in digitalen Fabriken. Mit seinen Lösungen für Feldbus- und Industrial-Ethernet-Protokolle sowie Industrial IoT (Internet of Things) trägt HMS wesentlich zur Datenintegration und Prozessoptimierung in der Smart Manufacturing-Umgebung bei. Addtech agiert als Technologiehandels- und Servicekonzern, der spezialisierte Komponenten und Subsysteme für die Industrieautomation liefert. Über sein Netzwerk aus Nischenunternehmen unterstützt Addtech Kunden beim Aufbau effizienter und digital vernetzter Produktionsumgebungen.
Robotik
Robotik ist ein zentraler Baustein der Industrie 4.0, da sie Automatisierungspotenziale in Fertigung, Logistik und Service erheblich erweitert. Der Einsatz reicht von kollaborativen Robotern (Cobots) in der Produktion bis zu autonomen mobilen Robotern in der Lagerlogistik und ermöglicht so höhere Effizienz, Flexibilität und Produktivität. Zebra Technologies hat sich durch die Übernahme von Fetch Robotics als Anbieter im Bereich autonomer mobiler Roboter (AMRs) etabliert. Neben seinen Kernlösungen für Datenerfassung und Automatisierung treibt Zebra die digitale Transformation von Logistik- und Fertigungsprozessen voran und stärkt so seine Position im Markt für Smart Factories und Intralogistik.
Zusammenfassung und Fazit
Megatrends spiegeln tiefgreifende, strukturelle Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie wider. Unternehmen, die in diesem Kontext als Gewinner hervorgehen, könnten überdurchschnittliches und nachhaltiges Wachstum realisieren. Für Investoren eröffnen sich dadurch attraktive, langfristige Renditechancen, wenn sie frühzeitig auf diese Entwicklungen setzen. Gleichzeitig ermöglichen Megatrends eine strategische Portfolioausrichtung, die Risiken durch obsolet werdende Geschäftsmodelle reduziert und die Zukunftsfähigkeit der Anlagen stärkt.
Kaum ein Megatrend prägt so viele Sektoren so tiefgreifend wie KI. Die Entwicklungen verstärken sich gegenseitig: Die Nachfrage nach KI-gestützter Software befeuert Investitionen in Halbleiter und Hardware, leistungsfähigere Modelle, Cloud-Infrastruktur sowie die Energie-Wertschöpfungskette. Leistungsfähigere Modelle erhöhen wiederum den Nutzen der Software und stimulieren die Nachfrage – ein sich selbst verstärkender Kreislauf. In vielen Subsegmenten ist bereits ein beschleunigtes Wachstum sichtbar, während wir in anderen erst am Beginn der Wachstumskurve stehen. Insbesondere in der Industrie steckt der Einsatz von KI noch in den Anfängen. Das Potenzial ist jedoch enorm, sobald KI von reiner Software in reale Anwendungen – etwa in der Robotik – übergeht.
Nach Jahrzehnten globaler Arbeitsteilung bestimmen Reshoring, staatliche Industriepolitik und sicherheitspolitische Investitionen zunehmend die Agenda. Lieferketten werden neu geordnet, während Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben stark ausgeweitet werden. Daraus ergeben sich Chancen für Firmen, die von staatlichen Programmen, Infrastrukturmaßnahmen oder regionaler Autonomie profitieren. Zugleich steigen die Anforderungen an Investoren, geopolitische Risiken und politische Rahmenbedingungen stärker in ihre Entscheidungen einzubeziehen.
Der steigende Energiebedarf durch KI, Elektromobilität und Digitalisierung trifft auf veraltete Netzinfrastrukturen und begrenzte Ressourcen. Strom- und Wasserknappheit rücken damit ebenso in den Fokus wie Investitionen in erneuerbare Energien, Gaskraftwerke, Nukleartechnologien und Speicherlösungen. Gleichzeitig zwingt die Verknappung kritischer Rohstoffe zum Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Unternehmen, die Infrastruktur modernisieren, Effizienz steigern oder Recyclinglösungen anbieten, profitieren von langfristigem strukturellem Rückenwind.
Automatisierung und Robotik sind Treiber für Effizienz, Kostensenkungen und neue Geschäftsmodelle. KI-gestützte Systeme automatisieren ganze Prozesse und eröffnen Potenziale in Industrie, Logistik und Service. Mit Smart Factories und flexiblen Robotiklösungen transformieren Unternehmen weltweit Produktionsabläufe. Besonders Anbieter von Industrieautomation, digitaler Vernetzung oder autonomen Robotersystemen können von dieser Entwicklung nachhaltig profitieren.
Unser Anspruch ist es, Megatrends frühzeitig zu identifizieren, zu antizipieren und konsequent in der Portfolioallokation abzubilden.
Autoren

Martin Hermann
Martin Hermann ist seit Oktober 2017 Portfoliomanager bei Berenberg. Er verantwortet den Berenberg Global Focus Fund sowie die globale Vermögensverwaltungsstrategie „Equity Growth“ und ist Co-Fondsmanager des Berenberg European Focus Fund. Zuvor war er Portfoliomanager im mehrfach ausgezeichneten Europe Equity Growth Team von Allianz Global Investors und stellvertretender Fondsmanager des International Equity Growth Fund. Seine Karriere begann 2010 als Investment-Trainee im Graduate-Programm von Allianz Global Investors. Martin Hermann hält einen Master in Investment Analysis und Corporate Finance der Universität Wien und ist CFA-Charterholder.

Tim Gottschalk
Tim Gottschalk ist seit Januar 2022 Portfoliomanager bei Berenberg. Er begann seine berufliche Laufbahn im Berenberg International Graduate Programme mit Einsätzen im Asset Management, Wealth Management und Equity Research. Tim Gottschalk hält einen Bachelor of Science in Business Administration und einen Master of Science in Finance mit Distinction von der Universität zu Köln mit Auslandsaufenthalten in Dublin und Stockholm.

Bernd Deeken
Bernd Deeken ist seit April 2011 Portfoliomanager bei Berenberg. Innerhalb des Aktienfondsmanagement betreut er insbesondere Fonds und Spezialmandate mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Zuvor war er in der Vermögensverwaltung bei Berenberg im Bereich nachhaltiger Multi Asset-Mandate tätig. Nach seinem dualen Studium an der Berufsakademie für Bankwirtschaft in Hannover (inklusive Bankausbildung), absolvierte er seinen Master in Banking and Finance in Zürich und Aberdeen. Er absolvierte erfolgreich die Fortbildung zum Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA) und ist außerdem CFA Charterholder.

Marco Solleder
Marco Solleder ist seit Januar 2024 Portfoliomanager bei Berenberg. Zuvor durchlief er das Berenberg International Graduate Programme mit Einsätzen im Asset Management, Wealth Management und Corporate Banking. Der gelernte Bankkaufmann hält einen Bachelor of Science in Betriebswirtschaftslehre von der Universität Regensburg und einen Master of Finance von der Frankfurt School of Finance and Management mit einem Auslandsaufenthalt in Lissabon. Marco Solleder ist CFA Charterholder.