Horizonte Q2│2023 - Anleihen

Gute Aussichten in allen Segmenten

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das zweite Quartal 2023.

Auf den Punkt

  • Sichere Staatsanleihen bieten attraktive Verzinsungen, sind jedoch nicht ganz so interessant wie andere Segmente.

  • Europäische Unternehmensanleihen bleiben auf hohem Renditeniveau gefragt, wir bevorzugen den Finanzsektor.

  • Schwellenländeranleihen sind wieder en vogue, Lokalwährungstitel mit dem besten Chance-Risiko-Verhältnis.

Konstruktiver Jahresauftakt bleibt keine Eintagsfliege

„Der Zins ist zurück“, schrieben wir in der letzten Ausgabe der „Horizonte“, und die ersten Wochen des Jahres bescherten denn auch vielen Segmenten eine steigende Nachfrage nach festverzinslichen Papieren. Auskömmliche Renditen und wieder interessante Kupons sorgen trotz zwischenzeitlicher Rückschläge für anhaltende Attraktivität. Wir rechnen für die kommenden Monate mit positiven Erträgen aus Anleihen.

Staatsanleihen wieder ertragbringend, USA bleiben vorn

Erwartungsgemäß setzten sich die Verluste des Vorjahres im sicheren Staatsanleihesegment während des ersten Quartals nicht fort. Zwar wurde die zum Jahresstart einsetzende Erholung ab Ende Januar zunächst ausgebremst, und die Renditen kletterten anschließend über die Niveaus hinaus, die sie zur Jahreswende innehatten, doch dann kehrte sich die Entwicklung erneut um. Im weiteren Verlauf sollte die laufende Verzinsung die Hauptertragsquelle darstellen, wobei eine Rolle spielt, dass sich die Inflation im angelsächsischen Raum früher als in der Eurozone auf den Rückmarsch macht. Dies führt neben einer Entspannung bei langlaufenden Anleihen auch zu einer Divergenz der Notenbankpolitiken. Die Fed und die Bank of England sollten ihre Leitzinsen nach weiterer Anhebung im zweiten Quartal schon in der zweiten Hälfte des Jahres wieder zu senken beginnen, die Europäische Zentralbank jedoch nicht. In der Eurozone erwarten wir bis zum Sommer in der Summe eine Anhebung des Hauptrefinanzierungssatzes auf 4%, ohne dass es in den Folgemonaten zu einer Wende kommt. Insgesamt hat das Segment klar an Attraktivität gewonnen, und in allen drei Währungsräumen werden wieder auskömmliche laufende Verzinsungen geboten.

Sichere Staatsanleihen dürften selektiv wieder Geld abwerfen

Vergangene und erwartete Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Ge-samteffekt aus Rendite-/Kursveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt

Zeitraum: 16.03.2018–16.03.2023
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen, iBoxx-Staatsanleihe-Indizes (7–10 Jahre, TR)

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2023 und zur Jahresmitte 2024

* Durchschnitt, Konsens per 16.03.2023
Quelle: Bloomberg

Welcome back – Nachfrage nach Unternehmensanleihen steigt

Europäische Unternehmensanleihen im Investmentgrade-Segment konnten sich seit Jahresbeginn gut behaupten. Die attraktiven Risikoaufschläge und das gestiegene Renditeniveau zogen Investorengelder an. Dies führte zu einem leichten Rückgang der Risikoprämien. Auch wenn die Bewertung inzwischen etwas weniger attraktiv erscheint und das Potenzial für eine weitere Einengung der Renditeaufschläge begrenzt ist, halten wir an unserer positiven Gesamteinschätzung fest. Mit über 4% erreichten die Renditen von Unternehmenspapieren das höchste Niveau seit mehr als einem Jahrzehnt. Zudem zeigt sich, dass renditeorientierte Anleger, die im Negativzinsumfeld auf Alternativen ausgewichen sind, wieder Interesse an europäischen Unternehmensanleihen zeigen und damit die Nachfrage stärken. Diese wird teilweise durch die gut gefüllte Neuemissionspipeline gedeckt, und auch wir favorisieren weiterhin Neuemissionen, da sie einen Renditeaufschlag gegenüber ausstehenden Anleihen bieten. Zudem liegt ihr Kupon auf dem aktuellen Marktniveau, was nach Jahren sehr niedriger Kupons die Erzielung laufender Erträge stärkt (Abbildung unten links). Innerhalb der Unternehmensanleihen präferieren wir den Finanzsektor. Die Bilanzqualität europäischer Banken hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Neben einer deutlich höheren Eigenkapitalausstattung zeigt sich dies auch im Rückgang des Anteils notleidender Kredite, wie die aggregierten Daten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zuletzt bestätigt haben. Auch sind im Vergleich zu Industrieanleihen die Renditen von Finanzpapieren höher und die Laufzeitenrisiken geringer.

Euro-Unternehmensanleihen: Kupons sind endlich wieder attraktiv

Nach zuvor mageren Jahren tragen die Kupons von Neuemissionen auf aktuellen Niveaus wieder zur Stärkung ordentlicher Erträge bei Anlegern bei

Zeitraum: 31.12.2017–28.02.2023
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen; Rating-Universum: Investmentgrade

Schwellenländeranleihen: Vorteil Lokalwährungen

Schwellenländeranleihen befanden sich im ersten Quartal in einem Wechselbad der Gefühle. Während der Jahresauftakt noch vielversprechend verlief und im Rahmen einer allgemeinen Liquiditätsrallye alle drei Anlagesegmente, das heißt sowohl Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung als auch Lokalwährungsanleihen, nach oben spülte, setzte nach den starken US-Arbeitsmarktzahlen mit steigenden US-Renditen und einem wiedererstarkenden US-Dollar Anfang Februar eine Umkehr ein. Die Tatsache, dass sich die Marktentwicklung nicht nur in der Auf-, sondern auch in der Abwärtsbewegung über alle Anlagesegmente hinweg als sehr homogen erwies, zeigt, dass die allgemeine Risikostimmung die dominierende Kraft für die Wertentwicklung darstellte bzw. dass der Markt von der Bewegung der US-Renditen und des US-Dollars bestimmt wurde, während individuelle Länder-, Sektor- oder Währungsrisiken hintenanstanden. Wir erwarten, dass sich dies spätestens im zweiten Halbjahr ändert und der Markt an Heterogenität gewinnt. In diesem Fall rechnen wir mit Performancevorteilen im Lokalwährungssegment. Die stark gestiegenen lokalen Renditen bieten im Vergleich zum Hartwährungssegment bei geringerer Duration bereits jetzt eine attraktive laufende Verzinsung („Carry“). Sollten die Zinserhöhungszyklen in den Schwellenländern früher als in den USA und Europa auslaufen, wird neben Carry auch Preisperformance wieder an Bedeutung gewinnen. Somit erscheint uns im Laufe des Jahres im Markt für Lokalwährungsanleihen eine sukzessive Erhöhung der Duration opportun, um an dieser Entwicklung zu partizipieren.

Schwellenländer ungewohnt homogen, Lokalwährungspapiere vorn

Bisher fällt 2023 durch hohe Homogenität zwischen Hart- und Lokalwährungs-papieren auf (HW, LW) – dies wird sich spätestens im zweiten Halbjahr ändern

Zeitraum: 02.01.2023-14.03.2023, indexiert auf 100 per 02.01.2023
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Fazit: Chancen in allen Segmenten

Nach der erfolgten „Rückkehr des Zinses“ sehen wir in allen drei hier besprochenen Anleihesegmenten Opportunitäten. Sichere Staatsanleihen bieten wieder interessante laufende Verzinsungen, noch attraktiver allerdings ist der europäische Unternehmenssektor. Hier präferieren wir die Finanzbranche, außerdem partizipieren wir an Neuemissionen mit Renditeaufschlägen und auskömmlichen Kupons. Schwellenländer schließlich werden sich im weiteren Jahresverlauf heterogener als zuletzt entwickeln, wovon insbesondere Lokalwährungsanleihen profitieren sollten. Letztere sowie Unternehmenspapiere bleiben unsere Favoriten.

Autoren

Martin Mayer
Senior Portfoliomanager Multi Asset
Stern Felix
Felix Stern
Leiter Fixed Income Euro Ausgewogen