Horizonte Q2│2023 - Aktien

Wohl Seitwärtsmarkt bei Aktien bis auf weiteres

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das zweite Quartal 2023.

Auf den Punkt

  • Gewinnerwartungen kamen seit Jahresanfang wie von uns erwartet weiter herunter. Mittlerweile wird global für 2023 kaum Wachstum erwartet, was wir für realistisch halten.

  • Bewertungen sind folglich in der Breite gestiegen, auch wegen der Aktienrallye. US-Titel bleiben am teuersten bewertet.

  • Wir erwarten in Q2 weder großes Aufwärts- noch Abwärtspotenzial, wobei die Risiken klar nach unten zeigen. Rohstofflastige Regionen/Segmente bleiben attraktiv.

Europäische Aktien im ersten Quartal deutlich vorne

Die Aktienmärkte sind famos in das neue Kalenderjahr gestartet – allen voran europäische Aktien. Ein Grund dafür war, dass das Ausbleiben einer Winterrezession viele pessimistische Anleger auf dem falschen Fuß erwischt hat. US-Aktien hatten hingegen tendenziell das Nachsehen. Robuste Konjunktur- und Inflationszahlen übten Druck mittels andauernd restriktiver Zentralbankpolitik auf die tendenziell hochbewerteten US-Aktien aus. Bei asiatischen Aktien waren Anleger nach der starken Performance zum Jahreswechsel auch erst einmal vorsichtig. Sie wollen abwarten, wie stark und positiv die Effekte von Chinas Öffnung nach dem Jahre andauernden Covid-19-Lockdown tatsächlich sind. Zudem gibt es Befürchtungen neuer Sanktionen gegenüber China durch die USA.

Fast alle Aktiensegmente seit Jahresanfang gestiegen, allerdings große Spreizung – europäische Aktien und Zykliker klar vorne

Zeitraum: 14.03.2018–14.03.2023
Quelle: Bloomberg * KBV = Kurs-Buchwert-Verhältnis; Div. = Dividendenrendite (%); KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis. Werte basieren auf Schätzungen für die nächsten 12 Monate.

Gewinnerwartungen nun etwas realistischer

Die Analysten haben die Gewinnschätzungen in Q1 weiter nach unten revidiert, wie von uns erwartet. Steigende Löhne, höhere Refinanzierungskosten und eine erhöhte Unsicherheit über die Konjunkturaussichten belasten die Gewinnmargen. Unterstützen dürften hingegen die zuletzt positiven Konjunkturüberraschungen, vor allem in den USA. Eine starke Rezession ist damit zumindest kurzfristig unwahrscheinlicher geworden. Momentan geht der Markt von einem 2023er-Gewinnwachstum von knapp 1% für die Industrienationen und einer Gewinnrezession für die Schwellenländer ggü. dem Vorjahr aus. Entsprechend denken wir, dass es von hier aus nur noch moderate Gewinnreduktionen geben dürfte. Die bald losgehende Q1-Berichtssaison dürfte mehr Klarheit bringen.

Kein Wirtschaftsabschwung mehr eingepreist

Trotz zunehmender quantitativer Drosselung der Zentralbanken und eines Einpreisens der Anleihemärkte von mehr Zinserhöhungen in diesem Jahr kam es jüngst zu einer Bewertungsausweitung. Das Forward-KGV für den S&P 500 ist seit Oktober letzten Jahres von 16 auf 18 gestiegen, bei volatilen, aber gleichbleibenden 10J-Treasury-Zinsen. Damit sind US-Aktien nun wieder im Vergleich zur eigenen Historie überdurchschnittlich hoch bepreist. Europäische Aktien sind nach der deutlichen Rallye nun zwar auch teurer als im Oktober, aber immer noch günstig im Vergleich zur eigenen Historie. Sie preisen damit zumindest keinen Konjunkturoptimismus, jedoch auch keine Rezession ein. Bewertungstechnisch dürfte damit dieses Jahr kaum noch Luft nach oben sein, zumal einige bewertungsinsensitive Strategien wie CTAs nun bereits wieder deutlicher in (europäische) Aktien investiert sind.

Seitwärtsphase wohl bis in den Sommer hinein

Aber auch fundamental dürften die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Zwar dürfte die Wiederöffnung Chinas genauso unterstützen wie die bis dato robusten Konjunkturdaten in den USA und der Eurozone. Jedoch wirken die Effekte restriktiver Zentralbankpolitik tendenziell mit einer Zeitverzögerung von bis zu 18 Monaten, sodass sie wohl erst in H2 2023 deutlich sichtbarer werden. Erste Anzeichen sieht man schon in Form schwächelnder Immobilienmärkte und anhand der Krise einzelner regionaler Banken in den USA. Gleichzeitig hat die relative Attraktivität von Anleihen gegenüber Aktien mit den gestiegenen Zinsen zugenommen – und dürfte vor allem Pensionskassen und Versicherungen dazu animieren, Aktien zu reduzieren und Anleihen aufzustocken. Von daher dürfte das Aufwärtspotenzial von Aktien vorerst klar begrenzt sein. Dafür spricht auch die typische Saisonalität. Nach einem guten Jahresstart kommt es häufig zu einem zähen Sommer. Auf der anderen Seite sind diese Punkte den meisten Anlegern bekannt, sodass sie bereits vorsichtig positioniert sind. Dies dürfte auch das Abwärtspotenzial der Aktienmärkte begrenzen. Für mehr Volatilität an den Märkten könnte hingegen neben der US-Schuldenobergrenze eine deutlich restriktivere Geldpolitik seitens der Bank of Japan sorgen, die ab April einen neuen Gouverneur hat. Sollten nämlich wider Erwarten die japanischen Zinsen stark steigen, würden viele Japaner ihr Geld im Ausland abziehen und auf dem heimischen Markt investieren – mit der Folge, dass die Zinsen weltweit weiter ansteigen dürften. Folglich haben wir vor allem teuer bewertete Aktienregionen wie die USA untergewichtet und sehen Potenzial bei günstiger bewerteten Regionen wie Lateinamerika, Großbritannien und der Eurozone, zumal die ersten beiden auch von einer Rohstofferholung profitieren dürften.

Steigende Aktien(bewertungen) trotz unverändert hoher Zinsen

Net-Return-Indizes für MSCI Europa (EUR) und MSCI USA (USD) normiert, 03.01.2022 = 100, sowie die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen.

Zeitraum: 03.01.2022–14.03.2023
Quelle: Factset, Berenberg

Prognoseübersicht: leichtes Aufwärtspotenzial bis Jahresende

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2023 und zur Jahresmitte 2024

* Durchschnitt, Konsensus Bottom-up per 14.03.2023
Quelle: Bloomberg, Factset, Berenberg

Was die Unternehmen bewegt

China ist wieder da

Zum Jahresauftakt zeigten sich die Unternehmensvorstände überwiegend optimistisch und überraschten damit eine weitestgehend pessimistische Investorenbasis. Das lässt sich auf eine anhaltend starke Nachfrage von Seiten der Konsumenten zurückführen, aber auch aus der Industrie berichtete man uns von sich erfreulich entwickelnden Auftragsbüchern. Die hohen Inflationswerte des vergangenen Jahres haben die Nachfrage bis dato also kaum belastet. Die Vorstände berichteten außerdem von einer positiven Entwicklung der Input-Kosten. Vor allem die Energiepreise haben sich in Europa überraschend schnell wieder normalisiert, was viele Unternehmen entlastet. Auch die große Verengung der Lieferketten hat sich weitestgehend aufgelöst. Eine besondere Euphorie ließ sich hinsichtlich der Geschäfte im Land der Mitte vernehmen. So konnten viele Unternehmen mit dem Auflösen vieler Covid-19-Restriktionen von einem merklichen Nachfragesprung aus China berichten. Davon profitieren vor allem Firmen aus der Konsumgüterindustrie, mit den Herstellern von Luxusgütern an der Spitze. Etwas länger dürfte es bei den Industrieunternehmen dauern, aber auch hier gibt man sich deutlich zuversichtlicher als noch vor Weihnachten. Vorsichtigere Unternehmen bestätigen zwar eine erfreuliche Entwicklung der letzten Monate, verweisen aber gleichzeitig auf eine geringe Visibilität.

- Matthias Born, CIO Aktien

Autor

Urbahn Ulrich
Ulrich Urbahn
Leiter Multi Asset Strategy & Research