Pressemeldung | 20. Sep 2023
Studie zur Energiewende:

„Wir brauchen eine effizientere Klimaschutzpolitik“

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Der ökologische Umbau der deutschen Volkswirtschaft bürdet sowohl Unternehmen als auch privaten Haushalten hohe Kosten auf. In der Studie „Energiewende – Ökologischer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“ wurde eine Kosten-Nutzen-Abschätzung des Ausbaus der erneuerbaren Energietechnologien zur Stromerzeugung in Deutschland vorgenommen. „Soll die Energiewende gelingen, darf nicht die Umweltverträglichkeit der Energiewende alleiniges Kriterium sein, sondern es muss streng auf Kostendisziplin geachtet werden“, sagt Prof. Dr. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereiches „Umwelt und Ressourcen“ am RWI und Autor der Studie. „Wir brauchen eine effizientere Klimaschutzpolitik, damit die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die soziale Ausgewogenheit der Klimapolitik gewährleistet ist“, ergänzt Dr. Jörn Quitzau, Leiter Wirtschaftstrends bei Berenberg und Co-Autor der Studie.

Die Energiewende war bislang vor allem eine Stromwende: Durch den massiven Ausbau der regenerativen Stromerzeugungstechnologien konnte der Anteil grünen Stroms am Stromverbrauch auf rund 50 % gesteigert werden, von ehemals unter 10 % im Jahr 2000, als das Erneuerbaren-Energiegesetzes (EEG) eingeführt wurde. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat die Stromverbraucher bis Ende 2022 knapp 300 Mrd. Euro gekostet. Für die kommenden beiden Jahrzehnte stehen bereits heute Zahlungsverpflichtungen in ähnlicher Größenordnung fest, da die installierten Anlagen Einspeisevergütungen erhalten, die 20 Jahre in unveränderter Höhe gewährt werden. „Eine Kosten-Nutzen-Analyse ist vor diesem Hintergrund unabdingbar“, sagt Frondel. „Nicht zuletzt auch deshalb, weil weitere Kosten nicht in diesen Summen enthalten sind, wie etwa die zu erwartenden hohen Belastungen aus der geplanten Wärmewende sowie die Kosten für den nötigen Netzausbau. Die Deutsche Energieagentur (dena) hat in ihrer Leitstudie die zusätzlichen Kapitalkosten für eine erfolgreiche Energiewende bis 2050 auf 1,1 bis 1,9 Billionen Euro beziffert.

Im Gegensatz zu den hohen Kosten wirkt sich der Nutzen des Ausbaus der erneuerbaren Energien bisher bescheiden aus. Dies gilt insbesondere für die Bruttobeschäftigungswirkungen, die vor allem temporärer, nicht dauerhafter Natur sind: Nach Installation der Erneuerbaren-Anlagen sind vergleichsweise wenige Arbeitskräfte für die Wartung und Betrieb der Anlagen nötig. Wird berücksichtigt, dass die finanziellen Lasten der Förderung der Erneuerbaren an anderer Stelle zu einer geringeren Beschäftigung führen und der regenerativ erzeugte Strom die konventionelle Stromerzeugung verdrängt und dort somit weniger Arbeitskräfte benötigt werden, wird offenkundig, dass die Nettobeschäftigungseffekte noch bescheidener ausfallen.

Was darüber hinaus bei der Förderung alternativer Technologien meist vergessen wird, sind deren Opportunitätskosten, der entgangene Nutzen aus anderen, wegen der Erneuerbaren-Förderung nicht getätigten, aber eventuell rentableren Investitionen. Bei einem Förderaufwand von rund 120 Milliarden Euro für alle seit dem Jahr 2000 in Deutschland installierten Photovoltaik-Anlagen und etwa ebenso hohen weiteren Förderkosten, die für die installierten Anlagen noch zu zahlen sind, muss zwingend die Frage gestellt werden, ob diese gewaltige Summe nicht ertragreicher hätte investiert werden können. „So hätte beispielsweise wesentlich mehr Geld für Bildung und Forschung zur Verfügung gestanden, wenn auf die massive Förderung der Photovoltaik verzichtet worden wäre. Würde der Ausbau der Erneuerbaren baldmöglichst dem Markt überlassen werden, könnte mit einem Bruchteil der dadurch eingesparten finanziellen Mittel die Forschung und Entwicklung sämtlicher Energie- und Speichertechnologien, inklusive Kern- und Wasserstofftechnologien, in nie dagewesenem Maße forciert werden“, sagt Frondel.

Dieselbe Frage stellt sich nach der Verabschiedung der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in Bezug auf die staatliche Förderung von Wärmepumpen zum Ausgleich für das faktische Verbot von fossilen Heizungen. Selbst wenn es dadurch zu einem veritablen Wärmepumpenboom in Deutschland kommen sollte, ist ähnlich wie beim früheren Solarboom nicht zu erwarten, dass dies dauerhafte positive Beschäftigungs- und industriepolitische Effekte hätte. „Die Politik sollte die Wärmewende daher besser dem im Jahr 2027 startenden zweiten EU-Emissionshandel und der kommunalen Wärmeplanung überlassen, anstatt die Politik der übermäßigen Förderung alternativer Technologien im Stromerzeugungssektor nun im Wärmesektor wiederholen zu wollen“, resümiert Prof. Dr. Frondel.

Es ist gut, dass die zu erwartenden hohen Kosten von weiteren rund 300 Mrd. Euro nicht mehr von den Stromverbrauchern mit ihrer Stromrechnung bezahlt werden müssen, sondern seit Mitte 2022 aus dem Klima- und Transformationsfonds bestritten werden. „Die überaus hohen Ambitionen der Ampelregierung in Bezug auf den Erneuerbaren-Ausbau bis zum Jahr 2030 lassen allerdings weitere Kosten erwarten, die eine künftige ausreichende Finanzierung aus dem Klima- und Transformationsfonds fraglich erscheinen lassen. In jedem Fall wird die Konkurrenz um die Fonds-Mittel noch schärfer als heute schon ausfallen“, sagt Frondel. Es ist zu befürchten, dass ebenfalls daraus finanzierte Investitionen in die Infrastruktur, etwa die Schieneninfrastruktur der Deutschen Bahn oder die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, künftig zu kurz kommen, weil die ausufernden Kosten für den Erneuerbaren-Ausbau keine Investitionsspielräume mehr lassen.

Das alles soll nicht als Argument gegen Klimaschutzinvestitionen verstanden werden. Aber es ist ein Argument gegen die verbreitete Sicht, Klimaschutzinvestitionen würden eine doppelte Dividende abwerfen – eine ökologische und eine ökonomische. Die ökonomische Dividende ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht weitgehend eine Wunschvorstellung. Für den Klimaschutz müssen volkswirtschaftliche Ressourcen eingesetzt werden. Und es muss klar sein, dass diese Ressourcen an anderen Stellen fehlen werden. Dazu Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau: „Es geht um den klassischen Erkenntnisgegenstand der ökonomischen Wissenschaft: um Knappheiten und um Rivalität in der Verwendung knapper Ressourcen. Da diese Rivalität in den kommenden Jahren immer größer werden dürfte, ist es entscheidend, dass der ökologische Umbau effizient erfolgt. Das gegebene Ziel – die Dekarbonisierung – muss mit dem geringstmöglichen Ressourceneinsatz erreicht werden.“

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