Horizonte Q2│2024 - Anleihen

Heterogene Rentenmärkte bieten attraktive Chancen

Prof. Dr. Bernd Meyer und Team geben in der aktuellen Horizonte-Publikation einen Ausblick auf das zweite Quartal 2024.

Auf den Punkt

  • Nach schwachem Jahresstart für Staatsanleihen versprechen britische Papiere in Lokalwährung Erholungspotential.

  • Bei europäischen Unternehmensanleihen meiden wir Hochzinspapiere, Bankanleihen bieten selektiv Einstiegschancen.

  • In den Schwellenländern machen sinkende Zinsen besonders das Segment der Lokalwährungsanleihen attraktiv.

Heterogene Märkte bieten unterschiedliche Chancen

Das Anleihejahr 2024 hat gemischt begonnen. Angesichts positiver konjunktureller Überraschungen kam Gegenwind in Form steigender Renditen auf, dem einzelne Anleihesegmente in unterschiedlichem Maße Paroli bieten konnten. Heterogenität dürfte auch den weiteren Jahresverlauf kennzeichnen, wobei wir unsere Parole „Die guten Zeiten sind nicht vorbei“ aus der vorangegangenen Ausgabe der „Horizonte“ nicht zurücknehmen, aber im Folgenden hervorheben, dass innerhalb der von uns besprochenen Teilmärkte Differenzierung unerlässlich ist.

Sichere Staatsanleihen: geteilter Ausblick auf den Jahresverlauf

Nach den starken Renditerückgängen in den letzten Wochen des vergangenen Jahres war das zurückliegende Quartal von einer Gegenbewegung geprägt. Die entsprechenden Kursverluste münden allerdings in einer positiven Botschaft: Die schwierigste Jahresphase dürfte bereits hinter uns liegen. Denn da sich die aktuellen Renditeniveaus den von uns prognostizierten ein gutes Stück angenähert haben, ist der Ausblick auf die kommenden Monate zumindest in Teilen vielversprechend. Besonders für britische Staatsanleihen sehen wir im zehnjährigen Laufzeitsegment gute Chancen für eine deutlich positive Wertentwicklung. Zurückhaltender sind wir für die deutsche Bundesanleihe, die angesichts ihrer vergleichsweise niedrigen Grundverzinsung einem möglichen Kursverlust nicht so viel entgegenzusetzen hat wie ihre angelsächsischen Pendants. Unverändert rechnen wir damit, dass die großen Notenbanken unterstützend agieren werden, indem sie ihre Leitzinsen im Jahresverlauf senken. Für die Europäische Zentralbank erwarten wir dabei inzwischen sogar einen Schritt mehr als noch zu Jahresbeginn.

Bei sicheren Staatsanleihen liegt das Schlimmste hinter uns

Vergangene und erwartete Wertentwicklung 10-jähriger Staatsanleihen, Ge-samteffekt aus Rendite-/Kursveränderung, Kuponertrag und Roll-down-Effekt

Zeitraum: 18.03.2019–18.03.2024
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen, iBoxx-Staatsanleihe-Indizes (7–10 Jahre, TR)

Prognosen: Leitzinsen und Staatsanleiherenditen (in %)

Berenberg- und Konsensprognose im Vergleich, Werte zum Jahresende 2024 und zur Jahresmitte 2025

* Durchschnitt, Konsens per 18.03.2024
Quelle: Bloomberg

Unternehmensanleihen: Hände weg vom Hochzinssegment

Mit großer Skepsis hatten wir bereits zum Jahresende 2023 auf die Bewertung europäischer Hochzinsanleihen geblickt. Während das Investment-Grade-Segment noch auskömmliche Risikoaufschläge aufweisen konnte, sahen Hochzinsanleihen in Anbetracht einer möglichen Rezession in Europa bereits teuer aus. Die seit Jahresbeginn überraschend positiven Wirtschaftszahlen und weiterhin solide Unternehmensergebnisse lassen eine baldige Rezession inzwischen jedoch unwahrscheinlicher erscheinen. Dies erklärt den trotz deutlich gestiegener Zinsen erneut positiven Jahresstart von Hochzinsanleihen (+1,8 %). Ungeachtet verbesserter Konjunkturaussichten bleiben wir angesichts der historisch hohen Bewertung dieses Subsegments skeptisch und präferieren defensivere Investment-Grade-Anleihen auf auskömmlichen Renditeniveaus von rund 3,8 %. Aktuell sorgen sich Investoren um die Kredit-Engagements deutscher Finanzhäuser wie der Deutschen Pfandbriefbank, aber auch von Sparkassen und Landesbanken. Folglich haben sich die Risikoaufschläge europäischer Finanzanleihen gegenüber Nicht-Finanzanleihen zuletzt wieder etwas ausgeweitet. Wenngleich wir die Situation für diese Institute zurzeit nicht als bedrohlich einschätzen, würden wir dort zunächst von Neuengagements absehen. Allerdings könnten sich kurzfristig spannende Einstiegsniveaus bei Senior-Anleihen der „National Champions“, zum Beispiel aus Frankreich, Großbritannien oder Spanien, ergeben.

Finanzanleihen zahlen noch immer eine deutliche Überprämie

Trotz bereits begonnenen Rückgangs erwarten wir, dass sich die Überprämie des Finanzsektors gegenüber Nicht-Finanzanleihen weiter abbauen wird

Zeitraum: 18.03.2019-18.03.2024, Risikoaufschläge in Basispunkten
Quelle: ICE, eigene Berechnugnen

Schwellenländer: Zinssenkungen stützen Lokalwährungsanleihen

Starke Arbeitsmarktdaten und zuletzt höher als erwartet ausgefallene Verbraucherpreise lassen vermuten, dass die US-Zentralbank ihren Leitzins länger auf dem momentanen Niveau belassen könnte, als es noch zu Jahresbeginn erwartet worden war. Die vom Markt für 2024 eingepreiste Anzahl von Zinssenkungen wurde von seinerzeit sechs auf aktuell drei korrigiert, und die Kurve der US-Staatsanleihen verschob sich in diesem Zuge um 25 bis 35 Basispunkte nach oben. In Reaktion darauf gerieten in zahlreichen Schwellenländern die lokalen Zinskurven ebenfalls unter Druck. Ist Letzteres fundamental gerechtfertigt? Der Blick auf die Inflationszahlen von Schwellenländern, die sehr früh Zinserhöhungen vorgenommen hatten, liefert hierfür keinerlei Beleg – im Gegenteil, ist doch die Abflachung der Inflation dort ein klarer Trend. Waren es unter den von uns unter diesem Gesichtspunkt näher analysierten zehn Ländern noch im Dezember gerade einmal zwei, in denen die Inflation bereits auf das jeweilige Zentralbankziel gesunken war, sind es im Januar bereits vier gewesen. Aus fundamentaler Sicht also sollten die lokalen Zinsen nicht steigen, sondern fallen, was die Anleihepreise stützt. Tatsächlich haben einige Schwellenländer-Notenbanken bereits mit Zinssenkungen begonnen, unter anderem Brasilien, Chile, Polen und Ungarn. In Mittelamerika sollte darüber hinaus Mexiko bald folgen. Für Investoren, die von Zinssenkungen in Schwellenländern profitieren möchten, sehen wir daher derzeit sehr attraktive Chancen. Besonders für Anleihen in Lokalwährung bleiben wir optimistisch und bevorzugen unter regionalen Aspekten jene Länder, in denen die Realzinsen hoch sind und sich die Volkswirtschaft fundamental auf dem richtigen Weg befindet. Ferner erwarten wir anlässlich der in einigen Schwellenländern bevorstehenden Wahlen keine negativen Überraschungen, sodass auch von dieser Seite keine Störfeuer auftreten sollten

Schwellenländer: Der Zinssenkungstrend nimmt Fahrt auf

In ausgewählten Ländern*, die frühzeitig mit Zinserhöhungen begonnen hatten, sinkt die Inflation deutlich – nun folgen die Zinsen auf dem Weg nach unten

Zeitraum: 01.01.2021-29.02.2024, Quelle: Bloomberg
*Länder: Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru, Polen, Rumänien, Südkorea, Tschechien, Ungarn

Fazit: Es lohnt sich der genaue Blick

In allen drei oben besprochenen Segmenten stecken Chancen und Risiken, sodass es notwendig ist, genauer hinzusehen. Der Markt sicherer Staatsanleihen ist besonders für UK Gilts in Lokalwährung attraktiv, deutsche Bundesanleihen und US-Papiere sind es weniger. Wer in Unternehmenspapiere investieren möchte, sollte sich unseres Erachtens auf den Investment-Grade-Bereich konzentrieren. Spannende Opportunitäten bieten zudem nationale „Banken-Champions“. Und in Schwellenländern sind es Lokalwährungspapiere, die von der Zinswende der Zentralbanken profitieren – hier sollte sich der bereits begonnene Trend fortsetzen.

Autoren

Martin Mayer
Senior Portfoliomanager Multi Asset
Bettinger Christian
Christian Bettinger
Leiter Fixed Income Euro & Emerging Markets
Wei Lon Sung
Leiter Fixed Income Emerging Markets